
© dpa
Lesen und Schreiben: Rund 125 000 Menschen in Brandenburg sind Analphabeten
Oft gelingt es ihnen jahrelang, ihre Lese- und Schreibschwäche zu verheimlichen. Der Druck ist jedoch groß. Die Gefahr der Ausgrenzung auch. Der Weltalphabetisierungstag am Sonntag soll sensibilisieren.
Stand:
Potsdam - Analphabetismus ist nach wie vor ein Tabu-Thema - obwohl rund 7,5 Millionen Menschen in Deutschland davon betroffen sind. In Brandenburg haben Schätzungen zufolge etwa 125 000 Menschen eine Lese- und Schreibschwäche, mehr als 14 000 davon allein in Potsdam. Hilfe erhalten sie beispielsweise bei der Volkshochschule (VHS). Die Nachrichtenagentur dpa sprach mit der Potsdamer VHS-Grundbildungsbeauftragen Katrin Wartenberg.
Wie bekommen Sie die Betroffenen dazu, sich zu outen?
Die größte Herausforderung ist in der Tat, die Betroffenen zu erreichen. Analphabetismus ist nach wie vor ein Tabu-Thema. In Potsdam gibt es deshalb seit 2008 das Alphabündnis. Diesem Netzwerk gehören 20 Organisationen an - beispielsweise Job Center, Industrie- und Handelskammer oder Diakonie. So wollen wir die direkte Ansprache der Betroffenen sicherstellen. Man muss gezielt auf sie zugehen und ihnen Hilfe anbieten. Damit sie auf das Angebot eingehen, bedarf es in der Regel aber eines zusätzlichen Auslösers. Zum Beispiel, dass eine helfende Bezugsperson ausfällt.
Wie schaffen es die Betroffenen, ihre Schwäche lange Zeit zu verbergen?
Die Menschen haben sich meist eingerichtet. Familienmitglieder oder Bekannte helfen. In der Regel haben wir es ja mit dem sogenannten funktionalen Alphabetismus zu tun. Heißt, die Betroffenen können einzelne Worte lesen und schreiben. Auch ein Satz ist - wenn auch mit Fehlern - möglich. Problematisch wird es aber bei mehreren zusammenhängenden Sätzen.
Und wie geht es weiter, wenn der erste Schritt getan ist?
Wenn die Menschen erst einmal bei uns sind, ist die Erleichterung groß. Vorher bedarf es aber einer enormen Anstrengung. Die Kontaktaufnahme ist emotional schwierig. In der Praxis müssen wird dann darauf eingehen, dass etwa die Hälfte unserer Kursteilnehmer arbeiten. Deshalb bieten wir vor- oder nachmittags Kurse an mit drei bis sechs Stunden pro Woche. Wichtig ist eine individuelle Betreuung. Deshalb gibt es pro Kurs nur sechs bis acht Teilnehmer.
Das Gespräch führte Marion van der Kraats/dpa
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: