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Von Christoph Stollowsky: S-Bahn-Chefs fürchten sich vor Streik

Heute entscheidet sich, ob und wann die Züge stillstehen. Dabei sollte das Angebot besser werden

Stand:

Berlin - Vom „spürbar gewachsenen Agressionspotenzial“ der Fahrgäste ist die Rede, von „überstrapazierten Kunden“ und der Furcht vor einem weiterem Imageverlusten: Die Berliner S-Bahn hat einen eindringlich Appell an die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) gerichtet, ihre Züge angesichts des drohenden Ausstandes der Lokführer nicht zu bestreiken. Das Verständnis der Fahrgäste für die Probleme des Unternehmens und die Fahrplaneinschränkungen sei erschöpft, heißt es in dem Schreiben der Geschäftsführung der S-Bahn an GDL-Bundeschef Claus Weselsky. Die Gewerkschaft reagierte nicht gänzlich ablehnend. Weselsky deutete im Gespräch mit dieser Zeitung an, dass die besondere Situation in Berlin berücksichtigt werde. Am heutigen Mittwoch fällt die Entscheidung, wo und wann gestreikt wird.

Für die S-Bahn wäre ein Ausstand zum jetzigen Zeitpunkt besonders schmerzhaft, weil die vielen Ärgernisse seit dem 24. Januar, also seit Beginn des winterlichen Notfahrplanes, weniger geworden sind. „Die Situation hat sich merklich beruhigt, wir verkehren zwar weiter eingeschränkt, aber zumindest wieder verlässlich“, sagte gestern ein S-Bahnsprecher.

Wie berichtet, gilt der Winterfahrplan noch bis zum 28. Februar. In dieser Zeit fahren alle Züge nicht mehr die üblichen 80 Stundenkilometer, sondern nur mit Tempo 60. Damit reagiert die S-Bahn auf kältebedingte technische Probleme, die sich während der Frostperiode ergaben. In der Folge verkehren die meisten Linien nun zwar in längeren Takten, auf der Stadtbahn beispielsweise nur alle zehn statt fünf Minuten, aber dafür herrscht laut S-Bahn „wieder Pünktlichkeit“. Nach neuesten Messungen hätten die S-Bahnzüge in Berlin und Brandenburg in den vergangenen Tagen zu 97,5 Prozent ihren Fahrplan eingehalten, hieß es gestern. Als weitere Verbesserung komme hinzu, dass die meisten Züge während des Notfahrplanes mit mehr Waggons verkehren, um Gedränge zu verhindern.

Zusätzlich kündigte das Unternehmen auch „Nachbesserungen“ im nächtlichen Verkehr an Wochenenden an. Zwischen Westkreuz und Potsdam sollen die Linien S7/S5 ab 26./27. Februar, dem letzten Wochenende des Winterfahrplanes, im 20- Minuten-Takt fahren. Zur Zeit verkehren sie 40-minütig. Ab 28. Februar gilt dann wieder der reguläre S-Bahnfahrplan – allerdings mit weiteren Einschränken von bis zu 20 Prozent des üblichen Angebotes.

Zuversichtlich gab sich gestern der Leiter der S-Bahn-Kundenbetreuung, Matthias Arndt, weil die Beschwerdeflut seit Start des Winterfahrplanes „deutlich geringer geworden ist“. Entsprechend unterstützte er gestern den Appell des Unternehmens an die Lokführergewerkschaft, die S-Bahn vom Ausstand zu verschonen. Darin heißt es auch, die Fahrgäste „würden einen Streik als weiteren Beweis für die Unzuverlässigkeit der S-Bahn bewerten und nicht als Mittel einer Tarifauseinandersetzung“. Das in der Vergangenheit schon spürbare Aggressionspotential gegenüber den Kolleginnen könne „eine weitere Eskalationsstufe erreichen“.

Zuletzt hatte die GDL im Herbst 2007 mit einem Streik die S-Bahn lahmgelegt, gezielt auch im Berufsverkehr. Damals zeigte sich, dass vom Stillstand der Züge besonders die Viertel am Rande Berlins und die brandenburgischen Orte entlang der S-Bahn betroffen waren. In den innerstädtischen Bezirken ergaben sich hingegen dank des engmaschigen Nahverkehrsnetzes weitaus geringere Verzögerungen. Viele Menschen stiegen auf U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse um.

Selbst wenn die S-Bahn vom Ausstand verschont bleibt, werden bei einem Streik aber voraussichtlich viele Regionalzüge zum Stillstand gebracht. Das träfe auf diesen Strecken besonders all jene, die beruflich zwischen der Hauptstadt und brandenburgischen Städten pendeln – beispielsweise mit dem Regionalexpress 1 zwischen Brandenburg (Havel) und Berlin oder mit dem RE2 Richtung Cottbus.

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