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Unfall bei Tegel: S-Bahn entgleiste bei voller Fahrt zwischen zwei Bahnhöfen

Ursache des Unglücks zwischen Tegel und Hennigsdorf, bei dem sechs Personen leicht verletzt wurden, war vermutlich ein Weichenfehler.

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Berlin - Erneut hat es bei der Berliner S-Bahn einen schweren Unfall gegeben – und wieder hatte man Glück, weil nur sechs Menschen leicht verletzt wurden. Vermutlich wegen eines Weichenfehlers war ein Zug der S 25 am Dienstagmittag kurz nach dem Verlassen des Bahnhofs Tegel auf der Fahrt Richtung Hennigsdorf entgleist; mehrere Wagen waren in erhebliche Schieflage geraten. Die Feuerwehr war mit rund 80 Mann und 35 Fahrzeugen im Einsatz. Vorübergehend war auf einem Parkplatz eine Verletztensammelstelle eingerichtet worden.

Ob die Ursache auf einen menschlichen oder technischen Defekt zurückzuführen ist, steht bisher nicht fest. Die Strecke, an der der Unfall passierte, war in der Nacht zuvor nach einem Blitzeinschlag unterbrochen worden. Erst am Morgen hatte sich der Betrieb langsam normalisiert. Wenige Stunden später entgleiste der Zug an einer Weiche.

Nach Informationen dieser Zeitung waren die Weichen und Signale wegen des Blitzeinschlags in diesem Abschnitt in Handarbeit und nicht automatisch gestellt worden. Die Bahn äußerte sich auf Anfrage nicht dazu. Nach bisherigen Erkenntnissen hatten die ersten Wagen des Zuges die Weiche bereits passiert, als diese wahrscheinlich umgesprungen ist und wieder auf Abzweigen stand. Die übrigen Wagen des Zuges wurden dadurch auf ein anderes Gleis geleitet, sodass der Zug vorübergehend auf zwei Gleisen fuhr – bis er komplett entgleiste.

Geprüft wird nun, ob die Weiche zuvor ordnungsgemäß gestellt worden war. Möglicherweise war sie nicht verriegelt, was nur erfolgt, wenn der Stellvorgang richtig abgeschlossen worden ist. Ist die Weiche nicht fest verankert, kann sie zurückspringen, wenn ein Zug darüberfährt. Dass sie aktiv während der Fahrt umgestellt worden ist, schließen Fachleute aus. Auch ein technischer Defekt kann nicht ausgeschlossen werden. Fehler in den Schienen können meist nur bei Untersuchungen per Ultraschall ermittelt werden. Weichen sind im Bahnbetrieb Verschleißteile und müssen regelmäßig erneuert werden. Die nach dem Mauerbau 1961 unterbrochene Verbindung von Tegel nach Hennigsdorf war Ende 1998 wieder in Betrieb gegangen. Der Aufbau erfolgte in vielen Bereichen provisorisch, weil später eine grundlegende Sanierung erfolgen sollte. Zum großen Teil ist sie inzwischen auch erfolgt. Ob dazu auch der Bereich der Unfallstelle gehört, war von der Bahn am Dienstag nicht zu erfahren.

Noch vor Abschluss der Untersuchungen, die noch monatelang dauern können, erklärte die Bundestagsabgeordnete der Linken, Sabine Leidig,unabhängig davon sei bereits jetzt festzustellen, dass die Deutsche Bahn und die S-Bahn nicht bereit seien, ausreichende Konsequenzen aus der S-Bahn-Krise zu ziehen. Eine defekte Weiche als mögliche Unfallursache deute darauf hin, dass nunmehr auch eine „mangelhafte Infrastruktur unfallgefährdend wirkt“.

Vor Ort bot sich unterdessen ein Bild der Verwüstung. Die S-Bahn stand schief neben dem Gleis, überall lag Schotter herum, die Schienen waren so stark verbogen, als seien sie aus Leichtmetall. Fassungslos starrten die Anwohner auf die Zerstörung gleich hinter dem S-Bahnhof. „Zum Glück liegt die Unglücksstelle in einem Gebiet ohne Anwohner“, sagte Gerda Hohler, eine Nachbarin aus dem Bahnhofsviertel. „Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn der Zug nur 200 Meter früher entgleist gewesen wäre.“

Der Unglücksort befindet sich gleich hinter der belebten Einkaufsmeile Gorkistraße in einem freien Gelände, das als Parkplatz genutzt wird. Neben der S-Bahn-Strecke verläuft ein Industriegleis. Bis die Bahn wieder auf die Strecke zwischen Hennigsdorf und Stadtmitte kann, dürften noch Tage vergehen. „Zuerst müssen Fachleute vom Eisenbahnbundesamt den gesamten Ort genau vermessen und fotografieren“, berichtete der Sprecher der Bundespolizei, Meik Gauer. „Erst danach übergeben wir das Gelände wieder der Deutschen Bahn.“ Diese wollte noch am Abend größere Kräne bestellen, um die verunglückten Waggons aus dem Gleis zu heben. Anschließend muss die Strecke repariert werden.

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