Von Jörn Hasselmann: S-Bahn koppelt den Stadtrand ab
Vier Linien ganz eingestellt. Im Berufsverkehr wird es zu starken Behinderungen kommen
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Berlin - Lange Wartezeiten, volle Bahnsteige, die wenigen noch rollenden Züge ebenfalls voll. Das war das Bild am Sonntagvormittag. Mit Betriebsbeginn hatte das Unternehmen vier Strecken stillgelegt. Nach Spandau, Wartenberg, Strausberg Nord und Hennigsdorf fahren bis auf weiteres keine S-Bahnen mehr. Was am heutigen Montag im Berufsverkehr erst los sein wird im Nahverkehr, ist kaum vorzustellen. „Etwa 200 Viertelzüge“ seien noch fahrbereit, teilte die Bahn zur Begründung mit. Früher waren tagsüber bis zu 562 dieser Doppelwagen im Einsatz, 632 gibt es insgesamt. Der Notfahrplan vor dem Wintereinbruch ging von 434 Viertelzügen aus. Demnach kann nun, ein Monat nach Wintereinbruch, nicht einmal mehr die Hälfte des Notfahrplans gefahren werden. Bahnexperten spekulierten gestern, dass am Montag noch deutlich weniger als „etwa 200“ im Einsatz sein werden. Nach Angaben einer Bahnsprecherin waren es gestern angeblich 213.
Neben dem seit Wochen immer dünner werdenden Takt wurden gestern nun erstmals seit 2009 wieder Strecken ganz gesperrt. Wie lange das anhalten soll, sagt die Bahn nicht, „bis auf weiteres“. Ein S-Bahner erklärte am Sonntag ratlosen Fahrgästen: „Eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen. Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, was die Herren in Nadelstreifen vorhaben.“ Der Eisenbahner war damit beschäftigt, Fahrgäste vom S-Bahnsteig zu holen. Hinweise und Durchsagen gab es nur auf deutsch. Wieso die Bahnsteige auf den stillgelegten Abschnitten nicht einfach zugesperrt worden sind, konnte die Bahn gestern nicht sagen. Entsprechend empört über seine Arbeit schimpfte der Eisenbahner lauthals weiter: „Ich bin seit 40 Jahren im Betrieb. Früher sind wir gefahren, im Sommer und im Winter. Das hier ist ein Armutszeugnis. Das macht keinen Spaß mehr.“
Der S-Bahner verwies die Fahrgäste auf die U7 der BVG und die drei Regionalzüge, die pro Stunde bis Hauptbahnhof fahren. ICE-Züge zum Hauptbahnhof sind nicht freigegeben mit normalen VBB-Tickets. Ab dem kommenden Wochenende will die BVG ausgerechnet auf dem Abschnitt von Spandau nach Richard-Wagner-Platz abends bauen, die U-Bahn-Züge sollen dort dann nur noch alle 20 Minuten pendeln. Dies kündigt die BVG auf ihrer Internetseite an.
Noch deutlich schwieriger ist die Situation künftig an der Strecke nach Hennigsdorf und nach Wartenberg. Im Norden fahren Ersatzbusse (mit der doppelten Fahrzeit) zu den U-Bahnhöfen Tegel (U6) und Paracelsusbad (U8). Nach Wartenberg und Hohenschönhausen vertröstet die S-Bahn etwa 100 000 Menschen auf die Straßenbahn der BVG. Lichtenbergs Baustadtrat Andreas Geisel schimpfte gestern: Die S-Bahn versagt völlig. Hohenschönhausen ist vom Zugverkehr abgeschnitten.“ Der von der Bahn genannte Ersatzverkehr mit Tram und wenigen Regionalzügen sei „völlig unzureichend“.
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