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Brandenburg: Saure Zuckermacher

Der einzigen Fabrik Brandenburgs droht das Aus

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Der einzigen Fabrik Brandenburgs droht das Aus Brottewitz - Die vielen Störche, die im Sommer die Wiesen um Brottewitz bevölkern, bringen keinen Kindersegen. Im Gegenteil – das kleine Dorf, ein Ortsteil der Stadt Mühlberg im Süden Brandenburgs leidet unter Bevölkerungsschwund. 1989 lebten hier 570 Einwohner, im vergangenen Jahr waren es nur noch 380. „Wenn die Zuckerfabrik hier nicht überlebt hätte, wäre Brottewitz tot“, hat Ortsbürgermeister Albrecht Stamm mehrfach gesagt. Jetzt muss die Brottewitzer Fabrik möglicherweise geschlossen werden, weil die EU ihre Zuckermarktordnung reformieren will beziehungsweise muss – wegen Klagen einiger Staaten bei der Welthandelsorganisation. „Der Preis von Zucker soll innerhalb von drei Jahren um 33 Prozent, der für Zuckerrüben um 37 Prozent sinken. Außerdem dürfen die Landwirte 16 Prozent weniger Rüben anbauen“, sagt Jeannette Leisker vom Brandenburger Bauernverband. Wie alle Zuckerhersteller, Bauern und Gewerkschaften in Deutschland hat sie zwar Verständnis für die Notwendigkeit der Reform, aber der Zeitplan sei zu radikal. Für die neue Zuckermarktordnung benötige man eine Übergangszeit mindestens bis 2012, fordert Hans-Jörg Gebhard, der Vorsitzende des neuen Aktionsbündnisses „Existenzfrage Zucker“ (AEZ). Für die bereits 1873 gegründete Zuckerfabrik Brottewitz, die nach der Wende von der Südzucker AG Mannheim übernommen wurde, geht es tatsächlich um die Existenz. Hochsaison für Zuckerfabriken ist nur etwa 90 Tage im Jahr – von Mitte Oktober bis Mitte Dezember. „Die Reduzierung der Quote, und die Drosselung der Exporte wird dazu führen, dass wir bis zu 40 Prozent Zuckerrüben weniger verarbeiten können“ sagt Betriebsleiter Holger Wiesner: „Damit reduziert sich die Laufzeit der Fabrik um viele Wochen. Wenn dann noch die niedrigeren Zuckerpreise dazukommen, rentiert sich die Fabrik nicht mehr“. In Brottewitz sind 105 Menschen ganzjährig beschäftigt. Während der Saison kommen 15 hinzu. Speditionen und Handwerker leben von der Fabrik. Etwa 350 Arbeitsplätze könnten hier der Reform zum Opfer fallen. Südzucker-Sprecher Reiner Düll befürchtet, dass auch viele der 995 Zuckerrübenanbauer aus Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die derzeit Brottewitz beliefern, die Reduzierung der Anbaumenge nicht verkraften. Für die Bauern sei der Zuckerrübenanbau das einzig wirklich sichere Standbein. „Die Rüben bringen 20 Prozent meines Einkommens“ so ein Landwirt aus Sachsen: „Die Fabrik hat immer pünktlich gezahlt.“ Die Südzucker AG könnte – so Sprecher Düll – bei einer Umsetzung der EU-Reform im geplanten Umfang nur noch das Werk in Zeitz halten. Bis nach Zeitz im Dreiländereck zwischen Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen gelegen, sind die Transportwege für jene Landwirte, die bislang Brottewitz beliefern, einfach zu lang – sprich: zu teuer. Mühlbergs Bürgermeister Dieter Jähnichen ist besonders auf Agrarministerin Renate Künast sauer, die jetzt ankündigte, beim Zeitplan für die EU-Reform hart zu bleiben. „Sie schadet doch vor allem dem ohnehin schwach entwickelten ländlichen Raum“, schimpft der Bürgermeister.

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