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Raue Sitten bei der Deutschen Bahn: Schaffner setzte Mutter mit Kleinkind in die Kälte

Weil ihr Kinderwagen angeblich den Fluchtweg versperrte, musste eine 26-Jährige aussteigen und 45 Minuten bei Sturm warten.

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Hennigsdorf – Und wieder ist es passiert: Eine Frau mit Kinderwagen und ihrem 18 Monate alten Kind musste in Hennigsdorf (Oberhavel) auf Anweisung des Zugbegleiters einen Regionalzug der Deutschen Bahn verlassen – weil es angeblich Sicherheitsbedenken gab. 45  Minuten musste die Frau mit ihrem Kleinkind dann bei Temparturen von etwa null Grad und viel Wind am 6. Dezember, als der Sturm „Xaver“ unterwegs war, auf den nächsten Zug warten, wie erst jetzt bekannt geworden ist. Die Bahn bedauerte den Vorfall, verwies aber darauf, dass die Mitarbeiter für die Sicherheit im Zug verantwortlich seien.

Die 26-jährige Frau hatte nach Angaben eines Bahnsprechers im sehr vollen Prignitz-Express nach Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) den Kinderwagen in einem sogenannten Viererabteil zwischen die Sitze gequetscht, die dadurch nicht mehr besetzt werden konnten. Der Zugbegleiter habe die Frau aufgefordert, den Bereich zu verlassen und zum Mehrzweckabteil zu gehen. Bei der weiteren Fahrscheinkontrolle habe der Zugbegleiter dann festgestellt, dass die Frau den Kinderwagen vor dem Durchgang zum nächsten Zugabteil abgestellt hatte. Darin habe der Mitarbeiter eine Gefahr gesehen, weil ein möglicher Fluchtweg versperrt gewesen sei.

Als drei von dem Zugbegleiter alarmierte Bundespolizisten kamen, stritten Mutter und Schaffner noch. Nach Angaben des Sprechers der Bundespolizei, Meik Gauer, hatten die Beamten, unterstützt von anderen Fahrgästen, dagegen keine Gefahr durch das Abstellen des Kinderwagens dort gesehen und dies dem Zugbegleiter auch erklärt. Der Bahnmitarbeiter pochte auf das Hausrecht: Dieser hat nach Angaben der Bundespolizei darauf bestanden, dass die Frau den Platz wechselt oder aussteigt. Schließlich habe die Frau „unter Tränen“ den Zug verlassen, der mit einer 20-minütigen Verspätung dann abfuhr.

Die Bundespolizisten seien zunächst bei der Frau, die völlig aufgelöst gewesen sei, geblieben, bis sie sich nach etwa 20 Minuten beruhigt habe, sagte Gauer. Die Beamten hätten sogar überlegt, die Frau zu ihrem Ziel Neuruppin zu fahren, was nur daran gescheitert sei, dass es im Dienstfahrzeug keinen Sitz für das 18 Monate alte Kind gab. So musste die Frau die 45 Minuten auf den nächsten Zug warten, in dem es dann keine Probleme gab.

Damit sei eine Grenze überschritten worden, sagte der stellvertretende Vorsitzende von Pro Bahn in Brandenburg, Karl-Heinz Kossack, am Dienstag. „Die Fahrzeuge der Bahn sind zum Teil so ausgestattet, dass da kein Platz ist. Es ist alles sehr eng.“ Schaffner müssten in solchen Fällen „menschlich“ an die Sache rangehen, forderte er. Niemand dürfe diskriminiert werden. Ein Bahnsprecher sagte, der Mitarbeiter habe die Frau gebeten, in ein Mehrzweckabteil umzusteigen, da er auch für die Sicherheit der anderen Reisenden sorgen müsse. Die Frau habe mit dem Kinderwagen ungünstig im Bereich zwischen zwei Waggons gestanden. Nach einem Bericht des „Oranienburger Generalanzeiger“ gab es in dem Mehrzweckabteil aber nicht genügend Platz. Auch Koffer hätten in den Gang hineingereicht. Warum die Mutter mit ihrem Kind dann am Bahnhof stehen geblieben sei, blieb zunächst unklar, sagte der Bahnsprecher. „Das ist ärgerlich. Wir bedauern das.“ Das Unternehmen versuche, den Vorfall aufzuklären. „Wir sind mit der Familie und mit dem Mitarbeiter im Gespräch.“ Immer wieder hatten in den vergangenen Jahren Bahn-Schaffner für Aufsehen gesorgt, die Jugendliche aus den Zügen verwiesen hatten – dabei ging es aber in der Regel um fehlende Fahrkarten. (mit dpa)

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