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Alles im Blick? Das nicht. Zwar gibt es in Berlin rund 30 Kameras pro U-Bahnhof – viele können jedoch weder schwenken noch zoomen.

©  Imago

Brandenburg: Scharf im Blick

Die BVG rüstet weitere U-Bahnhöfe auf moderne Kameratechnik um. Bisher gibt es sie in 45 der 173 überwachten Stationen

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Berlin - Der mutmaßliche U-Bahn-Treter im Bahnhof Hermannstraße oder die nach Gewaltexzessen 2011 in den Stationen Friedrichstraße und Lichtenberg ermittelten Täter – jedes Mal hat die Polizei die Verdächtigen nach dem Auswerten von Kameraaufnahmen festnehmen können. Und die BVG will ihre Überwachungstechnik weiter verbessern. Auch 2017 sollen Bahnhöfe auf die neueste Technik umgestellt werden. 48 Millionen Euro hat der Aufsichtsrat dafür bewilligt.

Alle 173 U-Bahnhöfe der BVG sind kameraüberwacht. Auch in den Gängen und Zwischengeschossen sind zum Teil Videoanlagen angebracht. Nur so war es möglich, den brutalen Tritt in den Rücken einer Frau am 27. Oktober im Bahnhof Hermannstraße festzuhalten. Der mutmaßliche Täter wurde nach dem Veröffentlichen der Bilder festgenommen und sitzt derzeit in Untersuchungshaft.

Allerdings sind erst 45 Stationen auf moderne Technik umgestellt worden. In diesem Jahr unter anderem Richard-Wagner-Platz, Gneisenaustraße und Rathaus Neukölln der Linie U 7 (Rathaus Spandau–Rudow), die als Kriminalitätsschwerpunkt im Netz der U-Bahn gilt. Die modernen Kameras sind schwenk- und zoombar und liefern viel schärfere Bilder als die alten Modelle. Im Durchschnitt sind nach Angaben der BVG rund 30 Kameras in einem Bahnhof installiert.

Die BVG bereite jetzt die Ausschreibung für den Kauf weiterer Super-Kameras vor, sagte Sprecherin Petra Reetz am Donnerstag. Nach mehreren Jahren im täglichen Einsatz müsse die Technik ohnehin erneuert werden. So soll es im nächsten Jahr einen weiteren Sprung bei den Bahnhöfen mit der modernen Videotechnik geben.

Ähnlich sieht es bei den Fahrzeugen aus. In allen U-Bahnen gibt es inzwischen Kameras. Auch fast alle Busse sind nach Angaben von Reetz damit ausgestattet; eine Ausnahme seien die gebraucht gekauften Fahrzeuge, die nur im sogenannten Schienenersatzverkehr bei Bauarbeiten der U- oder Straßenbahn eingesetzt werden sollen. Bei der Straßenbahn haben 80 Prozent der Fahrzeuge Kameras an Bord. Der Anteil wird sich weiter erhöhen, weil die BVG die alten Tatra-Bahnen, die in der Regel nicht kameraüberwacht werden, bis auf wenige Ausnahmen Ende 2017 ausmustern und durch neue Typen ersetzen wird, bei denen die Kameras bereits vom Hersteller eingebaut werden.

Die Aufnahmen werden 48 Stunden gespeichert und dann automatisch überspielt. In der Leitstelle, die auch mit einem Polizisten besetzt ist, werden Aufnahmen an Monitoren auch live betrachtet; meist erfolgt die Auswahl nach dem Zufallsprinzip. Die Kameras können aber auch gezielt ausgewählt werden. Wird der Notruf gedrückt, liefert eine Kamera in diesem Bereich automatisch Bilder.

Ausgewertet werden die Aufnahmen von der Polizei. 2014 hatte sie laut BVG rund 6200 Mal Aufnahmen angefordert. 2015 stieg die Zahl auf über 7000. Und in diesem Jahr gab es bisher über 6900 Anfragen.

Anders sieht es bei der S-Bahn aus. In ihren Zügen gibt es keine Kameras. Und auch auf den Bahnhöfen sind sie erst seit Kurzem vorhanden. Häufig zeichnet die S-Bahn nur Bilder von Kameras auf, die für das Abfertigen der Züge angebracht worden sind. Die Anlagen übertragen die Bilder auf Monitore in den Führerständen und erfassen nur die Türbereiche der Züge. Der nachträgliche Einbau von Kameras in den alten Zügen sei technisch aufwendig, sagte S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz. Und teuer. Ein Umrüsten würde sich die S-Bahn vom Senat finanzieren lassen wollen. Für die bestellten Neubaufahrzeuge hat der Senat den Einbau von Kameras vorgeschrieben.

Trotz des Erfolges bei Ermittlungen ist die Kamera-Überwachung nach wie vor umstritten. Der rot-rot-grüne Senat hat es erst jetzt wieder abgelehnt, öffentliche Plätze verstärkt zu überwachen. Diese Diskussion ist zuletzt durch den Anschlag vom Breitscheidplatz verschärft worden. Kritiker bemängeln, dass Kameras Straftaten nicht verhinderten, aber stark in die Persönlichkeitsrechte eingriffen. Eine Ausnahme seien Parkhäuser und -plätze, wo potenzielle Diebe durch eine Überwachung abgeschreckt würden, sagt der Kriminologe Thomas Bliesener, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Klaus Kurpjuweit

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