Brandenburg: Scharfes aus Wriezen
Traditioneller Senf wird wieder im Oderbruch hergestellt / In Brandenburg gibt es keine Mühle für Senfkörner
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Traditioneller Senf wird wieder im Oderbruch hergestellt / In Brandenburg gibt es keine Mühle für Senfkörner Von Bernd Kluge Wriezen. Sven Durau ist eigentlich kein Typ, der zu allem seinen Senf dazugeben muss. Es sei denn, es geht um ein Traditionsprodukt aus seiner Heimatstadt. Der 35-Jährige stellt seit Donnerstag wieder Original Wriezener Senf her – und der ist besonders scharf. Ursache dafür ist eine Gewürzmischung mit einem hohen Anteil an Meerrettich. 1959 erstmals in einer ehemaligen Spritdestille aus der Jahrhundertwende produziert, trat der scharfe Mostrich aus dem Oderbruch schnell seinen Siegeszug in Brandenburg und Berlin an. Der Zehn-Mann-Betrieb produzierte jährlich bis zu 700 Tonnen der gelblich-grauen Substanz. „Was haben wir manchmal geweint“, erinnert sich der 70-jährige Fred Kollack, der mehr als 30 Jahre in der Senf-Maische rührte, an das scharfe Produkt. Zwar trugen die Arbeiter Schutzbrillen, doch die halfen wohl nicht viel. Als die Wende kam, war in Wriezen zunächst Schluss mit der Produktion des würzigen Originals. In den folgenden Jahren scheiterten auch die Pläne zweier Existenzgründer. Der ausgebildete Fitness-Trainer Durau war eigentlich nicht scharf darauf, selbst in die Senfproduktion einzusteigen. Gefachsimpelt hatte er mit Kollack zwar immer wieder, doch die Pläne blieben zunächst Luftschlösser. Duraus Vater hatte das Gelände der alten Senffabrik vor Jahren erworben und wollte es nun als Rentner wieder loswerden. „Dann wäre unser Wriezener Mostrich endgültig verloren gegangen“, sagt Durau zur Begründung, warum er jetzt den Schritt in die Selbstständigkeit wagt. Als ehrenamtliche Berater stehen ihm Kollack und ein weiterer Ex-Senfmacher zur Seite. Von beiden hat Durau auch die Geheim-Rezeptur des Wriezener Originals bekommen. „Der Meerrettich ist nur eine Zutat, die die Schärfe ausmacht“, verrät Kollack. Auch das Senfmehl müsse eine gewisse Würze mitbringen. Zu DDR-Zeiten, erinnert sich der 70-Jährige, wurden die Senfkörner aus China bezogen. Als die zwischenstaatlichen Beziehungen gestört waren, versiegte diese Quelle zeitweilig. „Da mussten wir mit Pfeffer und noch mehr Meerrettich experimentieren“, erzählt er. Heute bezieht Durau das Senfmehl aus der Nähe von Quedlinburg in Sachsen-Anhalt – weil es in Brandenburg keine Ölmühle zur Verarbeitung der indonesischen und kanadischen Senfkörner gibt. Dazu kommen in den Maischebehälter Wasser, Zucker, Salz, Essig und die geheime Gewürzmischung, die den Original Wriezener Senf so unverwechselbar macht. Eine moderne Lüftungsanlage verhindert, dass den Senfmachern dabei erneut die Tränen in die Augen steigen. Nach dem Maischen ruht der „Brei“ über Nacht in großen Holzbottichen, danach wird er in der Senfmühle bearbeitet und schließlich abgefüllt. Monatlich vier Tonnen Senf will Durau zunächst herstellen. Das sind 16 000 Plastik-Becher mit jeweils 200 Millilitern. Auf dem Etikett prangt rechts das Konterfei des Alten Fritz, links das Stadtwappen von Wriezen. Je nach Absatz kann der Jung-Unternehmer bis zu drei Tonnen Mostrich täglich produzieren. Läuft der Senfladen, will er auch weitere Arbeitskräfte einstellen. Schon jetzt hat sich die Kunde von der erneuten Produktion der traditionellen, scharfen Spezialität herumgesprochen. Fleischereien und Gemüsehändler im Barnim sowie in Märkisch-Oderland zählen zu Duraus Kunden. Auch eine Supermarkt-Kette hat Senf-Proben bestellt.
Bernd Kluge
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