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Brandenburg: Schirra: „Wir sollen eingeschüchtert werden“

Cicero-Autor Bruno Schirra über die Ermittlungsverfahren gegen ihn, sein Verhältnis zum BKA und die Vorgeschichte der Affäre Cicero

Cicero-Autor Bruno Schirra über die Ermittlungsverfahren gegen ihn, sein Verhältnis zum BKA und die Vorgeschichte der Affäre Cicero In der Affäre um die Durchsuchungen beim Potsdamer Magazin Cicero und dessen Autor Bruno Schirra wegen angeblichen Geheimnisverrats hat sich gestern der Autor selbst zu Wort gemeldet – bei den Kollegen von der Netzeitung (www.netzeitung.de), die uns freundlicher Weise genehmigten, das Hintergründe erhellende Interview zu übernehmen. Die Ermittler haben rund 100 Ordner, Mappen und Aktenbehälter aus Ihrer Wohnung mitgenommen, die nichts mit dem ursprünglichen Durchsuchungsgrund zu tun hatten. Was war das Motiv für die gesamte Aktion? Mir fällt kein Grund ein, der mich selbst so richtig überzeugt. Die 125 Seiten Dossier des Bundeskriminalamts (BKA) können es nicht gewesen sein. Das BKA wusste schon seit dem 4. Februar, dass ich das Dokument habe. Ich selbst habe das dem BKA mitgeteilt und um ein Gespräch dazu gebeten. Das BKA weiß zudem, dass ich eine Vielzahl von unterschiedlichsten Quellen für meine Artikel habe. Dass ich mit BKA-Beamten in Kontakt bin, hat dort jahrelang nie jemanden gestört. Dennoch kamen am 12. September Ermittler in Ihr Haus. Vielleicht war der Artikel über Zarqawi der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die Durchsuchungsaktion in meinem Haus und in den Redaktionsräumen von „Cicero“ wirkte so, als hätten sich die Ermittler gesagt: „Gucken wir doch mal, was der Schirra noch so an Informationen hat.“ Die Menge und Bandbreite dessen, was außer Unterlagen, die mit dem Zarqawi-Artikel zu tun hatten, noch mitgeschleppt wurde, lässt mich die Aktion nur als Rundumschlag charakterisieren. Das war für die ein idealer Selbstbedienungsladen. Die Chance wurde genutzt. Was war in den Kisten, die die Ermittler aus ihrem Kellerarchiv geräumt haben? Mein gesamtes Recherchearchiv ist weg. Das Themenspektrum reicht von toten KZ-Ärzten über paramilitärische Killer im Kosovo bis hin zum Untersuchungsausschuss zur Parteispendenaffäre. Auch alle Unterlagen für ein geplantes Iran-Buch sind nun bei der Staatsanwaltschaft. Dies alles mitzunehmen, war aus meiner Sicht rechtswidrig. Das stand nicht im Durchsuchungsbeschluss und war vom eigentlichen Vorwurf sehr weit entfernt. Hinterher wurde von Zufallsfunden gesprochen. Mit dieser Begründung hätten die Ermittler auch meine Lucky-Luke-Hefte mitnehmen können. Wer weiß, vielleicht habe ich darin ja was mit unsichtbarer Tinte aufgeschrieben. Wie arbeiten Sie ohne ihre gesammelten Informationen? Ich habe keine Arbeitsgrundlage mehr. Ich werde natürlich versuchen, auf dem juristischen Weg das wiederzuholen, was man mir gestohlen hat. Gleichzeitig muss ich die Quelle für mein geplantes Buch bitten, mir noch einmal die nötigen Informationen zu geben. Das ist sehr mühsam und wirft mich weit zurück. Insgesamt ist durch die Durchsuchungsaktion und die Beschlagnahmung meine Arbeit als Journalist in Frage gestellt. Ich sehe das als glasklare Botschaft auch an Kollegen, die ähnlich investigativ arbeiten. Wir alle und unsere Informanten sollen dadurch eingeschüchtert werden. Was sagen Sie zum Vorwurf, Sie hätten zu viele Details genannt in Ihrem Zarqawi-Artikel und hätten dadurch allzu deutlich den Verdacht eines Lecks im BKA geschürt? Das BKA wusste: Der hat das als vertraulich eingestufte Dossier und wird es für seinen Artikel nutzen. Den Beamten kann die Brisanz des Papiers nicht verborgen geblieben sein – oder sie haben die Information nicht als so brisant eingestuft. Das von mir angefragte Hintergrundtreffen mit dem BKA fand jedenfalls nicht statt. Vor der Veröffentlichung des Artikels habe ich selbstverständlich gegenrecherchiert. Mehrere unterschiedliche Quellen haben übereinstimmend bestätigt, was meine eigenen Recherchen ergeben hatten. Keine der veröffentlichten Telefonnummern waren noch in Betrieb. Ich habe nur dort Details genannt, wo es die Thesen meines Artikels verlangten. Die waren zu heiß, als dass ich sie ohne Beleg hätte aufstellen können. Ich hatte mich abgesichert beim BKA. Es gab keinen Widerspruch. Die Veröffentlichung wurde nicht gestoppt. Wie hat das BKA auf das Erscheinen des Artikels Anfang April reagiert? Erst anschließend kam es zu einem Treffen mit dem BKA – es wurde bedauert, dass das Gespräch nicht vor Erscheinen der Cicero-Ausgabe stattfand. Aber zugleich wurde mir vermittelt, dass ich sehr seriös mit dem Dossier umgegangen sei. Dennoch ist das von Ihnen genannte BKA-Dossier der offiziell genannte Anlass für die Durchsuchung Ihres Hauses und der Redaktionsräume von Cicero gewesen. Beim BKA hat es bereits im Februar einen Versuch gegeben, intern herauszubekommen, wer das Informationsleck sein könnte. Im April gab es dann den ernüchternden Bericht: Keine Aussicht auf Erfolg. Es ist bekannt, dass ich seit Jahren Quellen im BKA habe. Es sei jedoch nichts gegen mich geplant, hieß es. Erst als sich das Bundesinnenministerium im Sommer einschaltete, kam alles in Gang. Nicht nur wegen der Informationen im Zarqawi-Artikel, auch wegen Unterlagen zur Leuna-Affäre wird gegen Sie ermittelt. Ich halte die gesamte Aktion für rechtswidrig. Zumindest das Material, das illegal aus meinem Haus entwendet wurde, wird nicht als Beweismittel gelten können. Schön war auch zu merken, wie Mitglieder des Bundestags-Innenausschusses zu zweifeln begannen, ob die Aktion gegen mich gerechtfertigt war. Die waren ziemlich verwundert, als sie im Zusammenhang mit der Aussage von Innenminister Otto Schily zur Cicero-Durchsuchung erfuhren, dass ich dem BKA sehr positiv bekannt bin. Mit Bruno Schirra sprach Domenika Ahlrichs (www.netzeitung.de)

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