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U-Bahnhof Alexanderplatz: Schläge auf Video

Zwei neue Fälle von Gewalt auf Bahnhöfen erschüttern Berlin. Ex-Senator Heilmann will ein Gesetz für mehr Überwachung durchsetzen.

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Berlin - Die Berliner Polizei fahndet erneut mit Bildern einer Überwachungskamera nach einem Gewalttäter. Erst vergangene Woche erging das Urteil gegen den sogenannten U-Bahn-Treter, der im Oktober 2016 an der Hermanstraße einer Frau auf der Treppe unvermittelt in den Rücken trat. Diesmal stammen die Bilder vom U-Bahnhof Alexanderplatz. Ein Mann soll am 11. Juni gegen 1.45 Uhr einem 38-Jährigen am Abgang zur U 8 von hinten gegen den Kopf geschlagen haben. Das Opfer stürzte, fiel die Treppe hinab, stieß mehrfach gegen ein Eisengeländer und zog sich schwere Kopfverletzungen zu. Bereits am Montag hatte die Polizei außerdem Bilder von einer Attacke auf einer Rolltreppe am Bahnhof Gesundbrunnen im Januar veröffentlicht.

Es sind Fälle wie diese, weshalb Ex-Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) und der frühere Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) zusammen mit der Deutschen Polizeigewerkschaft ein Bündnis ins Leben gerufen haben, das sich für mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum einsetzt und einen Volksentscheid darüber anstrebt. Als wäre es geplant, stellten die Initiatoren just wenige Stunden nach der neuen Öffentlichkeitsfahndung der Polizei am Dienstag ihren Gesetzentwurf vor.

Gesetzentwurf sieht 2500 weitere Kameras für 50 Orte in Berlin vor

Demnach soll das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog), welches die Befugnisse der Polizei regelt, verändert werden. Man wolle künftig nicht nur gefährdete Objekte mit Videokameras schützen, sondern auch „gefährliche Orte“ und Fahrradstellplätze mit Platz für mehr als 100 Räder, sagte Heilmann bei der Präsentation. Das ginge weiter als die temporäre und anlassbezogene Videoüberwachung, die der rot-rot-grüne Senat beschlossen hatte. Insgesamt sollen bis zu 2500 Kameras an 50 Orten und an Fahrradplätzen angebracht werden. „Wir wollen aber keine flächendeckende Überwachung“, sagte Heilmann. Geht es nach ihm, darf die Polizei künftig auch mit sogenannten Bodycams Demonstranten filmen. Außerdem soll die Speicherfrist der Bilder von 48 Stunden auf einen Monat verlängert werden.

Das Bündnis erwartet Ausgaben von höchstens 50 Millionen Euro und rechnet darin bereits die Kosten eines Instituts für Kriminalprävention ein. Das Institut soll die Ergebnisse der neuen Kameras evaluieren. Nach fünf Jahren soll ausgewertet werden. „Wenn dann die Wirkungslosigkeit festgestellt wird, muss der Gesetzgeber diesen Entwurf wieder zurücknehmen“, sagte Heilmann.

Ex-Bezirksbürgermeister Buschkowsky: "Berlin ist inzwischen Hauptstadt des Verbrechens"

Kritik kam prompt vom Landeschef der Grünen, Werner Graf. Er warf Heilmann vor, Geld „blind in flächendeckender Überwachung zu versenken“. Berlin brauche mehr gut bezahlte Polizisten und einen funktionierenden Digitalfunk – Investitionen, die von der CDU jahrelang versäumt worden seien.

Heilmann kritisierte dagegen eine rot-rot-grünen „Verhinderungskoalition“. Sein ungewöhnlicher Bündnisfreund, Heinz Buschkowsky, unterstützte ihn. „Berlin ist inzwischen die Hauptstadt des Verbrechens“, sagte der SPD-Politiker. Angesichts der niedrigen Aufklärungsquote sei es „unfassbar“, wie der Senat reagiere. Innensenator Andreas Geisel (SPD) habe bei einem Gespräch zu dem Thema nur Desinteresse gezeigt. Innere Sicherheit werde aus „ideologischen Gründen“ mit Füßen getreten.

Das Bündnis hat den Gesetzesentwurf in der vergangenen Woche bei der Innenverwaltung eingebracht. Deren Sprecher, Martin Pallgen, reagierte gelassen. „Der Senator empfindet die derzeitige Rechtslage mit temporärer und anlassbezogener Videoüberwachung als ausreichend“, sagte Pallgen. Die Innenverwaltung hat nun vier Wochen Zeit für eine Kostenprüfung, ehe die Initiative ab August ein halbes Jahr 20.000 Unterschriften sammeln kann. Kommen diese zusammen, besteht die Möglichkeit, mit dem Senat zu verhandeln. Sollte dies scheitern – wovon Heilmann am Dienstag ausging – müsste das Bündnis 170 000 Unterschriften sammeln, um eine Volksabstimmung zu erwirken. M. Berger, 

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