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Von Matthias Matern: Schleichender Verfall auf 7000 Kilometern

Der Radtourismus in Brandenburg boomt. Doch der Erhalt der Wege überfordert die öffentlichen Kassen

Von Matthias Matern

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Potsdam - Während sich der Fahrradtourismus im Land Brandenburg wachsender Beliebtheit erfreut, weist die Infrastruktur offenbar an immer mehr Stellen Zerfallserscheinungen auf. Wo seit Ende der 90er Jahre mit Fördergeldern des Landes, des Bundes und der Europäischen Union makellose Asphaltpisten gezogen worden sind, haben mittlerweile Wurzeln die Fahrbahn durchbrochen, versperren Äste und Laubhaufen den Weg. „Das Netz ist zwar sehr gut ausgebaut, aber in manchen Regionen ist der Zustand nicht so, wie er sein sollte“, meint etwa Annette Kretschmann, Geschäftsführerin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Brandenburg.

Bereits 2007 schimpfte der jüngst zurückgetretene Innenminister Brandenburgs und damalige Finanzminister Rainer Speer (SPD) nach einem schweren Sturz an einer Bodenwelle: Er weise seit Jahren darauf hin, dass man nicht nur ständig Radwege bauen könne, sondern auch deren Unterhaltung sichern müsse. Wie der Zustand der Radwege in Zeiten klammer Gemeindekassen und abnehmender Landesförderung erhalten werden kann, beschäftigt derzeit sowohl die Politik als auch die Touristiker. Auf ihrer Internetseite wirbt die brandenburgische Tourismusgesellschaft Tourismus Marketing Brandenburg (TMB) mit landesweit rund 7000 Kilometern Strecke für Radwanderer. „Die Frage ist nicht, wie viele Kilometer haben wir, sondern wie viele Kilometer exzellente Strecke gibt es“, meint TMB-Chef Dieter Hütte. Generell liege die Unterhaltungslast bei den Kommunen. Wie die Pflege trotz der angespannten Finanzlage gelingen kann, sei die „große Herausforderung“, so Hütte. „Neue Überlegungen“, wie etwa eine „Kreisumlage“ seien notwendig.

Auch in der neuen Tourismuskonzeption des Landeswirtschaftsministeriums wird die Qualitätssicherung der Radwege eine wichtige Rolle spielen. „Intelligente Lösungen“ würden gebraucht, heißt es aus dem Ministerium. Allerdings hätten sich die Kommunen mit Erhalt der Förderung damals verpflichtet, für den Erhalt der Wege zu sorgen. „Einige machen das vorbildlich. Andere haben den Pflegeetat vielleicht nicht eingeplant“, glaubt Ministeriumssprecher Steffen Streu.

Auch Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, sieht teilweise „deutlichen Reinvestitionsbedarf“. Noch sei es „kein landesweites Phänomen“, doch vermehrt drohten „einstige Investitionen zu zerbröseln“. Schließlich läge der Bau mancher Strecken schon mehr als zehn Jahre zurück. Hier müsse das Land seinen Beitrag leisten. Einerseits werbe es mit dem Radtourismus, andererseits werde die Förderung der Infrastruktur gestrichen.

Man könne eben „nicht mehr so aus dem Vollen schöpfen, wie in den 90er Jahren“, sagt dazu Jens-Uwe Schade, Sprecher im Infrastrukturministerium. Gleichzeitig räumt auch er ein, dass es „an dem einen oder anderen Abschnitt Investitionsbedarf gibt“. Da könne es sein, dass mache Kommune „überfordert ist“.

Benno Koch, Radexperte und ehemaliger Fahrradbeauftragter Berlins, findet es abwegig, dass die Kommunen zuständig sein sollen – vor allem bei überregionalen Strecken. „Für den Erhalt einer Bundesstraße oder Autobahn ist auch nicht das nächste Dorf zuständig“, sagt Koch. Den schlechten Zustand mancher Strecken schreibt er vor allem den „veralteten Standards“ zu, nach denen die Wege im Land noch immer gebaut würden. Oftmals seien aus Kostengründen keine festen Unterbaue verlegt worden. „Ich kenne kaum einen Radweg in Brandenburg, der nach zehn Jahren noch keine Schäden aufgewiesen hätte“, behauptet Koch.

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