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Brandenburg: Schleppende Aufklärung

Seit mehr als einem Jahr werden die Trennungsgeld-Zahlungen untersucht. Geld zurückgefordert hat das Land noch nicht. Experten halten Brandenburgs Justiz für befangen - und fordern die Übertragung der Ermittlungen in andere Bundeslände

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Seit mehr als einem Jahr werden die Trennungsgeld-Zahlungen untersucht. Geld zurückgefordert hat das Land noch nicht. Experten halten Brandenburgs Justiz für befangen - und fordern die Übertragung der Ermittlungen in andere Bundesländer. Potsdam – Der Druck auf Justizministerin Beate Blechinger (CDU) wächst, die Trennungsgeld-Affäre in Brandenburg konsequent aufzuarbeiten. Wie berichtet, sollen zahlreiche Justizbeamte in Brandenburg unberechtigt Entschädigungszahlungen für getrennten Wohn- und Arbeitsort erhalten haben. Obwohl die Untersuchungen jetzt seit über einem Jahr andauern und zwei externe Kommissionen gravierende Fälle und Missstände aufgedeckt haben, ist bisher kein einziger Rückforderungsbescheid durch das Justizministerium ergangen. Vor diesem Hintergrund melden renommierte Experten inzwischen Zweifel an, ob Brandenburgs Justiz selbst in der Lage ist, die Affäre aufzuklären. „Angesichts der großen Zahl Betroffener, darunter hochrangige Repräsentanten, ist Brandenburgs Justiz zu befangen, um es selbst aufzuarbeiten“, sagt etwa Uwe Wesel, Rechtsprofessor und früherer Vizepräsident der Freien Universität Berlin. Wesel sprach sich gegenüber den PNN dafür aus, dass die Potsdamer Regierung die Klärung an ein anderes Bundesland, etwa Berlin oder Niedersachsen, übertragen sollte. „Das darf Brandenburgs Justiz nicht selbst tun. Das wäre bedenklich“, sagte Wesel wörtlich. Die Verlagerung auf ein anderes Bundesland „mag zwar juristisch schwierig sein, ist aber möglich“. So weit will Prof. Ulrich Battis von der Juristischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität zwar nicht gehen. Doch auch dieser anerkannte Verwaltungs- und Beamtenrechtler sieht angesichts der Vielzahl betroffener Juristen die Gefahr von Befangenheit. „Es kann bei der juristischen Endbewertung zu personellen Engpässen kommen.“ Battis sprach sich deshalb dafür aus, gegebenenfalls auf zusätzliche richterliche Kompetenz aus anderen Ländern zurückzugreifen. Überlegungen, die Bearbeitung von Rückforderungsfällen und die Ermittlungsverfahren an andere Bundesländer abzugeben, soll es inzwischen auch in der brandenburgischen Staatskanzlei geben. Justizministerin Blechinger, die inzwischen in Sachsen-Anhalkt um personelle Unterstützung für die Trennungsgeldverfahren gebeten hat, erklärte jedoch gegenüber den PNN: „Bis jetzt sind sie noch nicht an mich herangetragen worden.“ Sie stellte jedoch eine Prüfung in Aussicht, wenn hinreichende Gründe für eine Verlagerung sprechen sollten. Das sehe sie derzeit aber nicht. Auch der bisherige Justiz-Staatssekretär Hans-Georg Kluge hatte die Befangenheit der Justiz – namentlich der Spitze der Generalstaatsanwaltschaft – in der Trennungsgeld-Affäre beklagt. Anlass war ein Leserbrief von Vize-Generalstaatsanwalt Ewald Bröhmer an die PNN, in dem dieser die Affäre als „Luftblase“ abgetan hatte. Auch gegen Bröhmer wird der Vorwurf erhoben, zu viel Trennungsgeld kassiert zu haben, was er bestreitet. Als Abteilungsleiter ist er für das seit einem Jahr bei der Generalstaatsanwaltschaft geführte Trennungsgeld-Ermittlungsverfahren gegen Ex-Justizstaatssekretär Gustav-Adolf Stange zuständig. Den PNN liegen interne Aktenvermerke vor, denen zufolge Bröhmer bei einem Hoffest des Landgerichtes und im Justizministerium erklärt haben soll, dass die Trennungsgeld-Akten mangels Erfolgsaussichten sowieso geschlossen würden. Er wette, "dass weder ein Ermittlungsverfahren erfolgreich beendet werde noch das man Geld sehen werde“, wird Bröhmer in dem Vermerk zitiert. Nach jüngsten Angaben des Justizministeriums – zuständig für das eigene Haus und die Gerichtspräsidenten – sind allein im Ministerium 40 von 78 überprüften Trennungsgeld-Fällen strittig. Darüber hinaus sind es im Brandenburgischen Oberlandesgericht 54 von 56 Fällen und bei den Justizvollzugsanstalten weitere 175 Fälle. Betroffen sind auch höchste Juristen Brandenburgs (siehe Dokumentation). „Die Verfahren dauern viel zu lange“, klagt der PDS-Rechtsexperte Stefan Sarrach. Dies liege auch am Ministerium. „Mein Eindruck ist, dass dort gemauert wird.“ Sollte sich dies erhärten, werde die PDS einen Untersuchungsausschuss beantragen, so Sarrach. Blechinger versicherte unterdessen gegenüber den PNN, dass sie die Affäre bis Anfang kommenden Jahres aufklären werde. Sie beabsichtige, „in diesen Wochen die verwaltungsmäßige Prüfung der Trennungsgeld-Angelegenheiten abzuschließen und in den erforderlichen Fällen Rückforderungsbescheide zu versenden“. Nach PNN-Informationen liegen allerdings schon seit Wochen zwei Rückforderungsbescheide im Ministerium auf Eis. Sie betreffen den ehemaligen Justiz-Staatssekretär Gustav-Adolf-Stange und Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg. Die Bescheide sollen angeblich wegen der Wahl am 19. September nicht abgeschickt worden sein. Blechinger gab dazu keine Stellungnahme ab. „Haben Sie bitte Verständnis, dass ich auf Grund der bisher noch nicht abgeschlossenen Prüfungen sowie der laufenden Verfahren derzeit keine näheren Angaben machen kann.“ Sie werde jedoch zu gegebener Zeit umfassend informieren.

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