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Bauverträge: Schlüsselfertiger Albtraum
Studie: 97 Prozent aller Verträge zum Bau von Einfamilienhäusern enthalten rechtswidrige Klauseln. Die regionale Bauwirtschaft und die Verbraucherzentrale Brandenburg glauben aber nicht an Absicht
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Berlin/Potsdam - „Sicher, schnell und kompetent für ein neues Zuhause“ – mit solchen und ähnlichen Versprechen werben Anbieter von „schlüsselfertigen“ Einfamilienhäusern um Aufträge privater Bauherren. Doch ist der Vertrag erst unterzeichnet, erleben viele angehende Hausbesitzer eine böse Überraschung. Immer wieder versuchen Unternehmen, sich mit rechtswidrigen Klauseln Vorteile zu verschaffen und spätere Forderungen auszuschließen. Das belegt auch die Studie „Schlüsselfertig Bauen – Die Bauverträge mit privaten Bauherren in der Praxis“ im Auftrag des Verbands Privater Bauherren (VPB) in Berlin. Insgesamt 117 Verträge, darunter auch zu drei Projekten in der Region Berlin-Brandenburg, ließ der Verband von Rechtsanwälten überprüfen. Das Ergebnis: 97 Prozent aller Verträge waren nicht akzeptabel, nur drei Prozent waren vertretbar.
Die Studie belegt nach Meinung von Thomas Penningh, Präsident des Verbands Privater Bauherren (VPB), erhebliche Lücken im Bereich des Verbraucherschutzes. „Unerwartete Zusatzausgaben aufgrund unvollständiger Leistungsbeschreibungen sind üblich“, nennt Penningh eines der vielen Beispiele, mit denen Baufirmen sich Extratüren offen halten. Oft genug seien wesentliche Dinge, wie etwa Erdaushub oder Hausanschlüsse, gar nicht Vertragsbestandteil. Diese für ein bewohnbares Haus aber unverzichtbaren Leistungen müssten zusätzlich aufgebracht werden und belaufen sich schnell auf 50 000 Euro und mehr, warnt der VPB-Präsident. „Die privaten Bauherren sind die wichtigsten Auftraggeber der mittelständischen Bauwirtschaft. Sie puffern mit ihren Aufträgen konjunkturelle Schwankungen ab“, ermahnt Penningh die Firmen.
Untersucht wurden Verfträge aus dem Zeitraum Juli 2003 bis April 2012. „Die Verträge wurden dem Verband von privaten Bauherren mit der Bitte vorgelegt, man möge einmal draufschauen“, berichtet der Berliner Anwalt Stefan Bentrop, der sich mit seinem Kollegen Ingmar Benger die Vereinbarungen für den Verband angeschaut hat. Zwar liegen nicht für alle Verträge Angaben zum Bauort vor, doch habe es sich in wenigstens drei Fällen definitiv um Projekte in der Region Berlin-Brandenburg gehandelt. In einem Fall ging es demnach um ein Bauprojekt in Werder (Potsdam-Mittelmark). Auch den dafür vorgelegten Vertrag hält Bentrop für rechtlich nicht akzeptabel. Unzulässige Klauseln, die laut Bentrop oft zu finden waren, sollten den Baufirmen etwa sogenannte Leistungsänderungsvorbehalte einräumen. „Sie vereinbaren mit der Firma zum Beispiel den Einbau einer bestimmten Art von Fliesen einer bestimmten Qualität, einbaut werden später zwar Fliesen der georderten Qualität, aber in einer ganz anderen Farbe“, gibt Bentrop ein Beispiel. In 74 Prozent aller Fälle fand sich eine solche Klausel.
Ebenfalls getrickst wird bei der Vereinbarung von Ratenzahlungen. Laut Gesetz sollen Kunden eigentlich nicht mehr zahlen, als zur Fälligkeit der jeweiligen Rate an Gegenwert geleistet worden sei, erläutert der Berliner Anwalt. „Etwa fünf Prozent des gesamten Baupreises gelten bei der ersten Rate rechtlich als unbedenklich.“ Bei 53 der 117 Verträge sei die erste Rate aber deutlich höher veranschlagt worden. Auch bei späteren Raten wurde oft mehr verlangt als angemessen. Lediglich die letzte Rate fiel in 73 Fällen niedriger aus als die empfohlene Minimalhöhe von fünf Prozent. Schließlich handelt es sich um die letzte Gelegenheit des Bauherrn, einen Teil der Summe wegen Baumängeln einzubehalten. Immerhin in 59 Prozent aller Verträge, so Bentrop, hatten die Firmen sogar Klauseln geschrieben, die von vornherein das Anmahnen bestimmter Mängel ausschlossen, etwa bei Silikonfugen, wie sie häufig in Bädern zu finden sind. „Elastische Fugen sind Wartungsfugen und unterliegen nicht der Gewähleistung“, heißt es etwa in einem Vertrag rechtswidrig.
Auch in der Verbraucherzentrale Brandenburg landen oft unzulässige Verträge. „Ich habe noch nie einen Vertrag gesehen, der komplett einwandfrei war“, meint Marlies Hopf, Bauherrenberaterin bei der Landesverbraucherzentrale. „Ein Bauunternehmer schreibt eben viele Sachen rein, die für ihn gut sind. Eine Baufirma ist aber keine Kanzlei“, nimmt Hopf die Unternehmen in Schutz. Private Bauherren sollten sich möglichst mit exemplarischen Urteilen zu Präzedenzfällen ausstatten, um eine gute Argumentationsgrundlage zu haben, rät sie.
Auch Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Berlin-Brandenburg, mag an eine Absicht nicht glauben: „In aller Regel werden Einfamilienhäuser von sehr kleinen Firmen angeboten, die nur selten auf einen Rechtsbeistand zurückgreifen können. Da werden dann wohl manchmal Klauseln in die Verträge geschrieben, die den Firmen einfach positiv erscheinen“, so Wunschel. Dort, wo größere Einheiten, etwa Reihenhäuser, gebaut werden, gehe er davon aus, dass alles professionell und ausgewogen gemacht werde.Matthias Matern
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