zum Hauptinhalt

Brandenburg: Schlüsselfigur „Piatto“ Brandenburgs NSU-Untersuchungsausschuss wird die Rolle des V-Mannes Carsten Sz. untersuchen

Potsdam - Ein Fall steht im Visier der brandenburgischen NSU-Aufklärer: Wenn der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag seine Arbeit in Angriff nimmt, wird es besonders um den Fall „Piatto“ gehen, der den Untersuchungsausschuss eigentlich erst auslöste: „Piatto“ ist der Deckname des früheren V-Mannes Carsten Szczepanski, einem selbst Anfang der 90er-Jahre wegen Mordversuchs an einem Nigerianer verurteilten Schwerkriminellen aus der rechten Szene. Durch den hatte die hiesige Verfassungsschutzbehörde schon im Sommer 1998 Hinweise auf das NSU-Trio, auf untergetauchte Skinheads, „zwei Männer und eine Frau“, die dabei seien, Waffen zu besorgen.

Stand:

Potsdam - Ein Fall steht im Visier der brandenburgischen NSU-Aufklärer: Wenn der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag seine Arbeit in Angriff nimmt, wird es besonders um den Fall „Piatto“ gehen, der den Untersuchungsausschuss eigentlich erst auslöste: „Piatto“ ist der Deckname des früheren V-Mannes Carsten Szczepanski, einem selbst Anfang der 90er-Jahre wegen Mordversuchs an einem Nigerianer verurteilten Schwerkriminellen aus der rechten Szene. Durch den hatte die hiesige Verfassungsschutzbehörde schon im Sommer 1998 Hinweise auf das NSU-Trio, auf untergetauchte Skinheads, „zwei Männer und eine Frau“, die dabei seien, Waffen zu besorgen. Es war einer der wenigen Hinweise, die es überhaupt auf Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gab, bevor die ab 2000 ihre Serie von Morden an neun Migranten und einer Polizistin starteten. V-Mann-Führer von „Piatto“ war Gordian Meyer-Plath, heute Sachsens Verfassungsschutzchef. Zwar hatte Brandenburg damals andere Verfassungsschutzämter informiert, allerdings allgemein. Den Thüringer Behörden, die per Haftbefehl nach dem Trio suchten, hatte Brandenburg damals nähere Angaben zur Quelle verweigert. So steht die Frage im Raum, ob die NSU-Mordserie womöglich hätte verhindert werden können, wenn sich Brandenburgs Behörden damals anders verhalten hätten. Der Fall „Piatto“ werde eine zentrale Rolle einnehmen, sagte der SPD-Abgeordnete und frühere Bildungsminister Holger Rupprecht, der den Untersuchungsausschuss leitet. „Wir müssen uns mit dem Mann befassen. Das ist unser Auftrag.“ Er tauche in 14 der 34 Fragen des Untersuchungsauftrages auf.

Auch am Montag versprachen alle Parteien, bei der Aufklärung zusammenzuarbeiten. In der Geschichte der Untersuchungsausschüsse im seit 1990 ununterbrochen von der SPD regierten Brandenburg wäre das allerdings ein Novum. In den letzten U-Ausschüssen zur Krampnitz-Affäre und zur Bodenreform-Affäre, beide in der letzten Wahlperiode, hatten vor allem die SPD-Obleute alles daran gesetzt, Verstrickungen und Versäumnisse von SPD-Ministerien zu relativieren. Diesmal versicherte SPD-Obmann Björn Lüttmann, parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion und selbst seit 2014 im Landtag: Die SPD werde zu „vollumfänglicher Transparenz“ beitragen. Und zwar unabhängig davon, so Lüttmann, ob es um die 90er-Jahre und „unseren Innenminister“ gehe, den heutigen SPD-Abgeordneten Alwin Ziel, oder später um den CDU-Innenminister – es war Jörg Schönbohm – in der Zeit der NSU-Taten. Er verwies auf die Dimension beim NSU, die sich von „profanen“ Untersuchungsausschüssen wie um Finanzen unterscheide. „Hier geht es um eine Mordserie, die zehn Menschenopfer gefordert hat, um die Grundsatzfrage der Abwehr von Rechtsterrorismus.“

Und einig sind sich auch alle, dass es nicht allein um Geschichte, sondern um hochaktuelle Fragen und Konsequenzen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus gehen soll. Es müsse geklärt werden, ob es personelle Kontinuitäten in der Neonazi-Szene von den 90er-Jahren bis heute gebe, sagte Ex-Justizminister Volkmar Schöneburg, Obmann der Linken. Und die Grünen-Obfrau, die Innenexpertin Ursula Nonnemacher, verwies auf die nach einem Brandanschlag in Nauen ausgehobene Neonazi-Zelle. „Wir haben gute Gründe, da ganz, ganz genau hinzuschauen.“ Zum Untersuchungsauftrag gehört aber auch, betonte CDU-Obmann Jan Redmann, ob Brandenburgs Innenministerium gegenüber dem NSU-Prozess in München oder anderen NSU-Untersuchungsausschüssen gemauert hat, etwa durch restriktive Aussagegenehmigungen oder bei Akten.

Entsprechende Vorwürfe hatte es von NSU-Opferanwälten gegeben, aber auch von Petra Pau, der Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses im Bundestag.

Sorgen, dass das Innenministerium auch gegenüber dem NSU-Untersuchungsausschuss mauert, hat zumindest Rupprecht nicht. „Ich habe das Gefühl, dass es eine große Bereitschaft gibt, mit uns zu kooperieren.“ Wie belastbar das sei, fügte Redmann hinzu, werde man allerdings erst sehen. Th. Metzner

Th. Metzner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })