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Von Matthias Matern: Schmerzvoller Abgang
Vor allem im Land Brandenburg stehen immer mehr Firmeninhaber vor der Frage der Unternehmensnachfolge. Doch die Suche nach geeigneten Kandidaten ist schwer
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Großbeeren - Rund 20 Jahre lang hat Klaus Gärtner bei der Naumann Pumpen GmbH die Fäden in der Hand gehabt. Anfang der 90er Jahre kaufte er die Berliner Traditionsfirma vom Sohn des Gründers, ließ später in Großbeeren (Teltow-Fläming) neu bauen und führte sein Unternehmen bis Ende vergangenen Jahres in Eigenregie. Seit dem ersten Januar ist sein angestammter Chefsessel besetzt. Dort sitzt jetzt Ronald Nitze, langjähriger Mitarbeiter und zuletzt Assistent der Geschäftsführung. Gärtner, mittlerweile 63 Jahre alt, hat die Fäden aus der Hand gegeben. Nun fährt er täglich als Berater nach Großbeeren. Bis 2016 soll er Nitze noch zur Seite stehen. Das Sagen aber hat der neue Chef. „Es macht mir Probleme, die ich vorher gar nicht gesehen habe“, räumt Gärtner ein. „Sein ’Kind’ wegzugeben, fällt schon ganz schön schwer.“
Auch wenn der Abnabelungsprozess schwer fällt, so ist er doch unumgänglich, bei der Naumann Pumpen GmbH kommt er noch rechtzeitig. Das Unternehmen, das sich auf die Wartung und Reparatur verschiedenster Pumpensysteme spezialisiert hat, ist gesund und mit Nitze hat Gärtner einen Nachfolger gefunden, der das Geschäft kennt. Häufig aber würden sich viele Firmeninhaber erst viel zu spät Gedanken darüber machen, wer nach ihnen die Leitung übernehmen soll, meint Andreas Lehmann, Leiter des Gemeinschaftprojektes „Nachfolge-Navigator“ der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer Potsdam. „Das Eingestehen, dass man die Firma nicht mehr mit der gewohnten Kraft weiterführen kann, lässt viele erstarren.“ Die Folge seien häufig fehlender Elan für Innovationen und letztendlich sinkende Umsätze.
Vor allem in Ostdeutschland und damit auch in Brandenburg hat die Frage nach dem geeigneten Nachfolger an Bedeutung gewonnen. „Wir haben zwischen 1990 und 1994 in Ostdeutschland eine richtige Gründungswelle erlebt. Das ist jetzt fast 20 Jahre her. Viele der Gründer waren damals aber bereits zwischen Mitte 30 und Ende 40“, erläutert Wolf Kempert, Geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft für Unternehmensnachfolge und Unternehmensführung UNU aus Berlin. Über die Aufgabe ihre jungen Firmen aufzubauen und erfolgreich am Markt zu etablieren, hätten viele die Dringlichkeit der Nachfolgeregelung gar nicht erkannt. Angaben der Potsdamer IHK zufolge sind die Inhaber jedes zehnten Betriebs im Land mittlerweile 60 Jahre alt und älter. Mit jährlich rund 1000 aus Altersgründe notwendigen Geschäftsübergaben rechnet die Kammer allein für ihren eigenen Kammerbezirk.
Seit rund einem Jahr bieten die Kammern, gefördert von der EU und dem brandenburgischen Arbeitsministerium, übergabewilligen Geschäftsinhabern kostenlos Unterstützung beim Abnabelungsprozess an. Von einer kurzen Analyse des Zustandes der Firma über die Suche nach geeigneten Kandidaten bis in die Zeit danach, begleiten Experten die ausscheidenden Unternehmer und ihren späteren Nachfolger.
Aus einem Pool von rund 160 externen Experten, darunter Steuerfachleute, Rechtsanwälte und sogar Psychologen, kann zusätzliche Unterstützung herangezogen werden. Deren Tätigkeit wird zu 70 Prozent gefördert. Eine Hilfe, die auch Klaus Gärtner in Anspruch genommen hat. „Ich habe erst ein eigenes Konzept entworfen. Das war aber gar nicht umsetzbar und völlig unrealistisch“, räumt er ein.
Die Aufgabe eine Nachfolge zu organisieren werde oft unterschätzt, so die Erfahrung von Kempert und Lehmann. Viele rechtliche Dinge seien zu beachten, ebenso rechtzeitige Gespräche mit Banken, den Lieferanten und Kunden. Wegen der demografischen Entwicklung werde es zudem schwieriger Kandidaten zu finden, meint etwa der Kammer-Experte. „Ein Problem, das in den kommenden Jahren noch an Intensität zunehmen wird“, schätzt auch Kempert. Bereits jetzt klagen landesweit viele Unternehmen über den zunehmenden Fachkräftemangel.
Bei der Suche nach einem Nachfolger von außerhalb des Betriebs wird die Suche zudem mit jedem Kilometer schwieriger, den die Firma entfernt von Berlin oder anderen Städten mit einem attraktiven Lebensumfeld liegt. „Ein absolutes Problem“, bestätigt Nachfolgeberater Kempert. „Weiche Standortfaktoren spielen auch für mittelständische Firmen eine große Rolle. Gut ausgebildete Führungskräfte haben für sich und ihre Familien häufig auch entsprechende Ansprüche an ihr Lebensumfeld und sind nicht unbedingt bereit, in strukturschwache ländliche Gebiete zu ziehen.“
Selbst das Naheliegendste, die Übergabe der Geschäfte an die eigenen Kinder, ist längst nicht mehr die Regel. Gerade einmal noch 40 Prozent der Betriebsnachfolgen werden innerhalb der Familie geregelt. „Das war früher deutlich häufiger der Fall“, sagt Wolf Kempert. Nicht selten hätten die Kinder bis zum Zeitpunkt, an dem die Übergabe ansteht, bereits ihre eigene Karriereplanung abgeschlossen und hätten kein Interesse mehr, alles aufzugeben, um in die Fußstapfen der Eltern zu treten. Eine schmerzvolle Erfahrung, die auch Klaus Gärtner machen musste. Auf einem eigens einberufenen „Familienrat“ haben alle drei Kinder den Einstieg in das väterliche Unternehmen abgelehnt. „Es hat mich schon sehr getroffen, dass ich innerhalb der Familie niemanden begeistern konnte“, erinnert sich der Ex-Chef.
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