Brandenburg: Scholls Ehe: Dominanz und Unterwerfung Gutachter: Affekttat des Ex-Politikers möglich
Potsdam - Der unter Mordanklage stehende Ludwigsfelder Ex-Bürgermeister Heinrich Scholl könnte seine Frau im Affekt erdrosselt haben. Das sagte der psychiatrische Gutachter Alexander Böhle am Dienstag am Potsdamer Landgericht.
Stand:
Potsdam - Der unter Mordanklage stehende Ludwigsfelder Ex-Bürgermeister Heinrich Scholl könnte seine Frau im Affekt erdrosselt haben. Das sagte der psychiatrische Gutachter Alexander Böhle am Dienstag am Potsdamer Landgericht. „Das ist jedoch eine Überlegung auf sehr dünnem Eis“, sagte Böhle. Der 70 Jahre alte Angeklagte habe sich dem Gutachter gegenüber nicht zum möglichen Tatgeschehen geäußert und nur biografische Angaben gemacht. „Ich weiß bis heute nicht, ob Herr Scholl es getan hat oder nicht“, sagte Böhle. Scholl ist angeklagt, im Dezember 2011 seine Ehefrau ermordet zu haben. Scholl selbst hatte seine Frau bei der Polizei als vermisst gemeldet. Zwei Tage später wurde ihre Leiche in einem Waldstück bei Ludwigsfelde, dem Wohnort des Ehepaares, gefunden. Scholl wurde kurze Zeit später als tatverdächtig verhaftet, er schweigt zu den Vorwürfen.
In dem Indizienprozess hatte das Gericht in den vergangenen fünf Monaten versucht, sich aufgrund von Aussagen von mehr als 90 Zeugen ein Bild vom Verhältnis der Eheleute zu machen und das Geschehen zu rekonstruieren. Bekannte, Freunde und Nachbarn hatten die Beziehung als belastet beschrieben. Dies habe sich in Gesprächen mit dem Angeklagten bestätigt, so der Gutachter. Scholl habe seine Frau als dominant und bestimmend beschrieben, eine Rolle, die er bereits bei seiner Mutter erfahren habe. „Als Kind ist der Angeklagte in seiner Emotionalität und Gefühlswahrnehmung wenig gereift“, sagte der Gutachter. Daher habe der 70-Jährige bis heute Probleme, seine Aggressionen zu bewältigen. „Scholl ist ein aggressiv sehr gehemmter Mensch“, so Böhle. Die Gefahr, dass angestaute Aggressionen impulsiv herausbrechen, sei sehr hoch. „Bei einem möglichen Tatablauf könnte es bei der extrem langen Vorgechichte dazu gekommen sein, dass die Situation im Rahmen einer letzten Aussprache so eskaliert ist, dass Scholl seine Frau zweimal geschlagen und erdrosselt haben könnte. Aber das ist reine Spekulation“, sagte Böhle.
Böhle sieht bei Scholl keine Hinweise auf eine rechtlich relevante psychiatrische Störung oder Persönlichkeitsstörung, er sei also voll schuldfähig. Scholl leide aber unter einer neurotischen Störung, Aggressionen zu verarbeiten. Dass Scholls Ehefrau seine Wut verlacht habe, wie es Zeugen und Scholl schilderten, sei bedenklich. „Es ist sehr gefährlich, wenn sich Wut potenziert.“ Durch sein Bürgermeisteramt habe Scholl die Erniedrigungen kompensiert. Der späte Auszug aus dem gemeinsamen Haus und die Zeit mit einer thailändischen Geliebten in Berlin seien eine Flucht gewesen. „Damit entzog er sich einer Bewertung seiner Emotionen gegenüber seiner Frau“, so Böhle. Die Ehe beschrieb er als „Verhältnis von Dominanz und Unterwerfung, Macht und Ohnmacht“. Scholl selbst hatte sich in Notizen über fehlende Zuneigung seiner Frau beklagt: „Ich habe zu Hause keinen Freiraum, und bin eingetaktet in ihr Regime.“
Scholls Verteidiger wollten die Beweisaufnahme noch nicht beenden. Sie stellten am Dienstag neue Beweisanträge und werten einen Experten des Landeskriminalamtes, der DNA-Spuren am Tatort bewertete, als befangen. Peter Könnicke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: