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Brandenburg: Schönbohm streicht 400 Kripo-Stellen und vier Wachen Gewerkschaften: Minister führt laufende Überprüfung der Strukturen ad absurdum

Potsdam - In Brandenburg sollen – zusätzlich zu den bisherigen Personaleinsparungen bei der Polizei – sechs Polizeiwachen geschlossen und insgesamt 585 Stellen bis zum Jahr 2009 gestrichen werden; davon allein 400 bei der Kriminalpolizei. Von den Schließungen betroffen sind die Wachen Potsdam-Nord, Jüterbog, Beeskow und Cottbus-City sowie Zossen und Nauen.

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Potsdam - In Brandenburg sollen – zusätzlich zu den bisherigen Personaleinsparungen bei der Polizei – sechs Polizeiwachen geschlossen und insgesamt 585 Stellen bis zum Jahr 2009 gestrichen werden; davon allein 400 bei der Kriminalpolizei. Von den Schließungen betroffen sind die Wachen Potsdam-Nord, Jüterbog, Beeskow und Cottbus-City sowie Zossen und Nauen. Ihre Aufgaben sollen von anderen Wachen mit übernommen werden. Der Bund der Kriminalbeamten warf Schönbohm Täuschung vor.

Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) begründete die Einschnitte gestern in Potsdam mit dem Zwang zur Haushaltskonsolidierung. Außerdem rechtfertigten Unfall-, Kriminalitäts- und Einsatzzahlen den geringeren Personaleinsatz. Die Präsenz auf der Straße bleibe trotzdem „ungemindert gewährleistet“. Schönbohm wies darauf hin, dass Brandenburg im Vergleich der Bundesländer, und zwar auch der Flächenländer, eine hohe Polizeidichte habe. Statistisch komme hier derzeit ein Polizeibeamter auf 269 Bürger, in Schleswig-Holstein seien es dagegen 377, in Niedersachsen sogar 391. Zwischen 2010 und 2012 sollen laut Schönbohm noch einmal 350 Stellen gestrichen werden, so dass es dann nur noch rund 8600 Stellen bei der Brandenburger Polizei geben wird, rund 1700 weniger als 1999.

Die Interessenvertretungen der Polizei reagierten scharf. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Schuster, sprach von einem „Offenbarungseid“ Schönbohms. Der extreme Stellenabbau bei der Polizei gehe auf Kosten der Sicherheit. „Es geht noch mehr Bürgernähe verloren, es wird weniger Grün auf den Straßen sein, die Interventionszeiten werden sich verlängern.“ Schuster glaubt, dass statt bisher durchschnittlich etwa 20 Minuten künftig bis zu einer Stunde vergehen kann, ehe die Polizei am Einsatzort eintrifft. Wegen der knappen Budgets müsse schon jetzt Benzin gespart werden, die Einsatzfahrzeuge seien nicht mehr ständig unterwegs. Ähnlich äußerte sich der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Frank Domanski.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Brandenburg, Wolfgang Bauch, warf Schönbohm vor, „unsauber“ zu argumentieren: Es gebe zwar einen Rückgang der angezeigten Straftaten, doch betreffe er vor allem den Bereich der so genannten Massenkriminalität. Bei den schweren Kriminalitätsphänomenen seien die Fallzahlen gleich geblieben oder sogar gestiegen. Es handele sich hierbei um die besonders ermittlungsintensiven Bereiche, wie etwa die Wirtschaftskriminalität, die sich seit 1994 verfünffacht hat. Gesunken sei die Deliktzahl vor allem bei den Straftaten, die kaum noch angezeigt werden bzw. bei denen – wie Fahrraddiebstählen – kaum Ermittlungsarbeit stattfindet.

Die Gewerkschaften seien keine Träumer, so Bauch, – es sei klar dass wegen der Haushaltslage einige Stellen gestrichen werden müssen. „Aber dann hätte der Minister uns gleich ehrlich sagen sollen, dass 250 weg müssen und Gewerkschaften und Fachbereiche hätten sich zusammengesetzt und nach Potenzial gesucht“, so Bauch. Der Wegfall von 400 Stellen sei nicht zu kompensieren, es gebe Bereiche bei der Kriminalpolizei, wo dringend mehr Ermittler benötigt werden. Seit langem beklagen etwa die Staatsanwaltschaften, dass die aufwändigen Ermittlungsverfahren wegen Wirtschaftskriminalität – bei denene teils ganze Lkw-Ladungen Akten ausgewertet und weitverzweigte Geldströme aufgedeckt werden müssen – zu lange dauern. Zum einen fehlten Staatsanwälte, zum anderen Kriminalisten. „Es sieht so aus, als wolle das Land das Niveau der Polizei nun dem der unterbesetzten Bereiche der Justiz angleichen“, sagte ein leitender Staatsanwalt gestern den PNN.

Bauch hielt Schönbohm auch vor, den laufenden Untersuchungen zur Neuorganisation der Kriminalpolizei, an denen die Beamten selbst teilnehmen, vorzugreifen: „Obwohl der Bericht noch nicht vorliegt, verkündet er schon Ergebnisse. Das ist unfair, wir fühlen uns betrogen.“ Das Evaluierungsverfahren für die Kripo sei offenbar von Anfang an eine Farce gewesen, so Buch gegenüber den PNN.

Die Unruhe innerhalb der Polizei dürfte, prophezeien die Gewerkschaften, nun noch deutlich zunehmen. Wegen der von Finanzminister Rainer Speer angekündigten Streichung des Weihnachtsgeldes für Beamte haben die Gewerkschaften bereits Dienst nach Vorschrift angekündigt, der in den meisten Schutzbereichen schon von vielen Polizisten praktiziert wird. So sollen Verkehrssünder nur belehrt und weniger Bußgelder verlangt werden. Schönbohm sagte gestern, ihm lägen noch keine Berichte vor, dass so verfahren werde. Er könne nachvollziehen, dass die Gewerkschaften enttäuscht seien, doch sollten sie auch sehen, dass die West-Angleichung der Gehälter um ein halbes Jahr – zum 1. Juli 2007 – vorgezogen werden solle.

(mit pet)

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