Brandenburg: Schuldenfalle: Eigenverantwortung
Die Zahl der Privatinsolvenzen in Brandenburg ist im ersten Halbjahr 2006 um 51 Prozent gestiegen
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Potsdam - Brandenburgs Privathaushalte verschulden sich zunehmend – und müssen in Konsequenz dessen immer öfter den Bankrott erklären. Wie aus einem aktuellen Bericht des Wirtschaftsauskunftsdienstes Creditreform hervorgeht, haben in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 2450 Personen Privatinsolvenz beantragt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet das einen Anstieg um 51 Prozent.
In Brandenburg entfallen der Erhebung zufolge 9,5 private Insolvenzanträge auf jeweils 10 000 Einwohner. Im gesamtdeutschen Vergleich belegt die Mark damit den sechsten Platz, unter den fünf neuen Bundesländern den dritten. Angeführt wird die Liste von Bremen mit einer Insolvenzrate von 21,6. Schlusslicht ist Bayern mit 5,4 Insolvenzanträgen je 10 000 Einwohner. „Wir verzeichnen seit Jahren bundesweit exorbitant zunehmende Zahlen. In Brandenburg sind sie jedoch überdurchschnittlich stark gestiegen“, so Kai Kohlberger, Sprecher des Wirtschaftsauskunftsdienstes Creditreform. Zu erklären sei diese Entwicklung unter anderem mit der Einführung von Hartz IV, der Vielzahl verlockender Konsumkredite und der schwächeren Sozialstruktur in Ostdeutschland. Darüber hinaus lägen die Ursachen für die steigende private Verschuldung aber auch bei den langen Wartezeiten bei Schuldnerberatungsstellen, so Kohlberger. Mitunter würden Monate vergehen, bis ein Klient einen Beratungstermin bekäme. Zeit, in der die Schulden weiter wachsen.
Diesen Umstand bestätigt auch Evelyn Dahme von der Verbraucherzentrale Brandenburg. Viele Träger seien mit der Zahl der zu bewältigenden Beratungsanfragen überfordert – und eine Übersicht, über weitere Beratungsmöglichkeiten fehle. Zudem sei bei vielen Schuldnern die Hemmschwelle hoch, ein solches auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Dahme sieht die Ursachen der zahlreichen Privatinsolvenzen auch in einem Abbau der staatlichen Sozialleistungen. „Die Verbraucher müssen zunehmend Eigenverantwortung übernehmen, etwa für ihre Gesundheits- und Altersvorsorge. Das führt dazu, dass sie die Vielzahl ihrer Geschäftsbeziehungen mitunter nicht mehr überblicken können.“ Insbesondere einkommensschwache Bevölkerungsgruppen würden auf Vorsorgemaßnahmen verzichten: „Ein Problem, das in Zukunft nochmal auf uns zukommen wird.“
Kohlbergers Aussage, das Prozedere zur Beantragung von Privatinsolvenz sei verbesserungswürdig und würde zur Verlockung von Schuldenaufnahme beitragen, widerspricht Dahme jedoch entschieden. Die Aufstellung eines Sechs-Jahres-Plans zur Abtragung von Außenständen sei vor allem für Menschen, die unverschuldet auf anfallenden Rechnungen sitzen bleiben, eine Möglichkeit, der Situation zu begegnen – etwa wenn Ehefrauen für einen Kredit ihres Gatten bürgen. Nach Ablauf der sechs Jahre, der so genannten Wohlverhaltensphase, ist die betreffende Person schuldenfrei.
Dennoch steht eine Überarbeitung der Gesetzgebung derzeit bei der Bundesregierung auf dem Plan. Demnach soll nicht nur die die Dauer der Wohlverhaltensphase auf acht Jahre verlängert werden. Auch die Möglichkeit zur Stundung der Insolvenzverfahrenskosten soll eingeschränkt werden. 85 Prozent der Schuldner stellen einen solchen Antrag, so Änne-Katrin Borns von der Schuldnerberatung des Diakonischen Werks Potsdam. Die Richter, die mit der Bearbeitung des Verfahrens beauftragt sind, müssen dennoch bezahlt werden. Auf dieser Summe will der Staat künftig nicht mehr alleine sitzen bleiben.
Borns zufolge ist die derzeitige Gesetzesüberarbeitung, die vermutlich zu Beginn des kommenden Jahres verabschiedet und in Kraft treten wird, der eigentliche Grund für den drastischen Anstieg der Privatinsolvenzen. „Viele Schuldner versuchen, noch schnell in das alte Verfahren hereinzukommen.“
Die aktuelle Erhebung von Creditreform hat jedoch auch Erfreuliches vorzuweisen. So ist die Zahl der Unternehmenspleiten in der Mark in den ersten sechs Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 16,4 Prozent gesunken. Lediglich 560 Firmen mussten Insolvenz beantragen.
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