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Brandenburg: Schulischer Neuanfang in alten Klostermauern

30 Siebtklässler lernen im privaten Europa-Gymnasium Neuzelle / Monatliches Schulgeld von 55 Euro

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30 Siebtklässler lernen im privaten Europa-Gymnasium Neuzelle / Monatliches Schulgeld von 55 Euro Von Bernd Kluge Neuzelle. Verschämt grinsend steht Ajesha in der Klassentür. „Ich habe verschlafen“, bekennt das Mädchen und verdrückt sich nach gnädigem Nicken des Politik-Lehrers schnell auf seinen Platz an den u-förmig aufgestellten Schulbänken. Gekicher und Getuschel unter ihren 14 Mitschülern, dann geht der Unterricht in Sachen EU-Osterweiterung weiter. Ein normaler Schulalltag, könnte man meinen. Dennoch sind die insgesamt 30 Mädchen und Jungen am Europa-Gymnasium in der historischen Zisterzienser-Klosteranlage Neuzelle etwas Besonderes. Denn die neue Bildungseinrichtung in freier Trägerschaft der Leipziger Rahn & Partner-Schulgesellschaft ist gerade erst im Aufbau begriffen und sitzt mit dem 2005 auslaufenden staatlichen Gymnasium quasi unter einem Dach. „Logisch macht es keinen Sinn, hier neu anzufangen“, gibt Rahn-Schulleiter Karl Fisher zu. Der Landkreis Oder-Spree hatte sich wegen sinkender Schülerzahlen entschlossen, sein deutsch-polnisches Gymnasium zu schließen. Doch die Rahn-Schulen haben ehrgeizige Pläne und wollen eine naturwissenschaftlich ausgerichtete Bildungseinrichtung, unter anderem auch für Hochbegabte, mit überregionalem Charakter etablieren. Die Gymnasiasten sollen auch aus anderen Ländern Mittel- und Osteuropas kommen, so der selbstgesetzte Anspruch. Das freut auch die Kreisverwaltung, geht doch das deutsch-polnische Schulprojekt an der Oder damit nicht verloren. Auch Walter Edererer, Geschäftsführer der Stiftung Stift Neuzelle, ist zufrieden. Er hatte seit Jahren nach einem Nachnutzer für das alte Kanzleigebäude gesucht, der Mieteinnahmen in sechsstelliger Höhe garantiert. Bereits im kommenden Schuljahr sollen in der ehemaligen Klausur 20 Internatsplätze für Schüler „von außerhalb“ zur Verfügung stehen, weitere 100 ergänzen später das Angebot. Und ab 2005 können auch die „staatlichen Gymnasiasten“ wahlweise in die neue Schule wechseln. Bis dahin ist Schulleiter Fisher auf Kooperation angewiesen, besteht „sein“ Gymnasium doch bisher nur aus fünf Räumen - darunter zwei Klassenzimmer für die 30 Siebtklässler und ein Lehrerzimmer. „Wir nutzen für den naturwissenschaftlichen Unterricht die Fachkabinette unserer Nachbarn“, erläutert er. Außerdem hat er sich stundenweise drei Lehrer vom staatlichen Gymnasium ausgeliehen. Mit Fisher, der selbst Geschichte, politische Bildung und Deutsch unterrichtet, verfügt der private Bildungs-Neuling ferner über vier festangestellte Pädagogen und drei Honorarkräfte. Trotz der augenscheinlichen Provisorien fühlen sich die schulischen Aufbauhelfer hier sehr wohl. „Pro Klasse sind wir nur 15 Schüler, da lernt man eine Menge“, sagt der 13-jährige Patrick. „Die Lehrer sind nett und der Unterricht macht Spaß, weil er interessant gestaltet wird“, lobt seine Mitschülerin Sophie. „Dafür war meinen Eltern das monatliche Schulgeld von 55 Euro wert“, fügt das Mädchen hinzu, das täglich mit dem Zug aus dem 30 Kilometer entfernten Groß Lindow anreist. Je nach Leistungen und Neigungen wurden die Rahn-Schüler der naturwissenschaftlich-technischen oder der wirtschaftwissenschaftlich-juristischen Klasse zugeordnet. Französisch oder Polnisch erlernen sie ab der 7. Klasse als zweite Fremdsprache, zwei Jahre später kommt eine weitere hinzu: Russisch, Spanisch oder Latein. Angeschafft werden in Kürze auch 15 Laptops für den Unterricht. „Unsere Schüler sollen sich nach bestimmten Aufgabenstellungen in der Internet-Recherche üben“, erläutert Schulleiter Fisher. Ajesha, der ihr Zuspätkommen noch immer sichtlich peinlich ist, freut sich schon auf die ausländischen Schüler. „Dann wird es hier in der Provinz richtig international.“

Bernd Kluge

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