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Brandenburg: „Schwaches Tourismusbewusstsein“ Die neue Tourismusstrategie für Brandenburg ist in Arbeit.

Eine Analyse gibt es bereits. Sie zeigt, wo das Land steht, aber auch Chancen und Risiken für die Zukunft

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Potsdam - Schon der Weg ist ein Ziel. Um im Frühjahr 2016 auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) Brandenburgs neue Tourismuskonzeption für die nächsten Jahre zu präsentieren, die alte läuft bald aus, geht das Land einen völlig neuen Weg: Die Touristiker, so die Grundidee, sollen diesmal die neue Strategie weitgehend selbst mitentwickeln, wie sich die Mark künftig weiter als Reiseland profilieren, gegen harte Konkurrenz behaupten und neue Trends aufnehmen will. Ein erster Rahmen-Entwurf wird kommende Woche bereits auf dem brandenburgischen Tourismustag in Liebenberg (Oberhavel) präsentiert.

„Es soll ein lebendiges System werden, das sich permanent weiterentwickelt“, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) am Freitag auf einer Pressekonferenz in Potsdam zur Entwicklung des Tourismus im Land. Der ist nach seinen Worten inzwischen zwar eine „beispiellose Erfolgsgeschichte“. Er verwies auf jährlich 90 Millionen Tagesreisende, auf 12 Millionen Übernachtungen, die es 2015 sein werden, doppelt so viel wie in den 1990er Jahren. Dabei habe der Tourismus 1990 fast bei Null begonnen, mit Ausnahme der Sanssouci-Stadt Potsdam und des Spreewaldes.

Und er hat trotzdem nach wie vor Schwächen, über die Tourismusverantwortliche nie gern reden. Die sind dafür einer aktuellen Analyse zu „Stärken – Schwächen – Chancen – Risiken“ des brandenburgischen Tourismus formuliert, die im Zuge des Werkstattverfahrens für die neue Tourismuskonzeption erstellt und im Internet (www.tourismuswirtschaft-brandenburg.de) zur Diskussion gestellt wurde. „Schwaches Tourismusbewusstsein in Politik, Verwaltung und Bevölkerung“, lautet ein Defizit. Als Schwächen genannt werden auch „Aufgabenteilung und Kompetenzen in der Organisation des Tourismus“, also die Kleinstaaterei, Kreisegoismen, die es nach wie vor bei den regionalen Tourismusstrukturen gibt. Ein Nachteil sei auch die „Ein-Saisonalität“ im Sommer, auf den sich vieles konzentriert. Genannt werden auch „Qualitätslücken in Hotellerie und Gastronomie“ und die „geringe landesweite Tourismusintensität bei gleichzeitig ausgeprägter Konzentration auf einige Orte.“

Die Analyse stammt aus der Feder von externen Tourismusprofis, die vom Wirtschaftsministerium mit der Erstellung der neuen Tourismuskonzeption beauftragt wurden. Es handelt sich um das internationale Beratungsunternehmen Kohl&Partner, die Agentur tourismusdesign und das Alpenforschungsinstitut der Hochschule München. Doch Grundlage für den Befund waren auch Einschätzungen aus der Branche selbst, die aus Anhörungen und drei Regionalkonferenzen in diesem Jahr herausgefiltert wurden. Als Stärke wird zum Beispiel die „nationale Alleinstellung Wasser“ aufgeführt, da kein Bundesland so viele Seen und Flüsse hat wie Brandenburg. Es finden sich weiter das „preußische Kulturerbe“, die „gute Radinfrastruktur“. Und natürlich auch die Metropole Berlin, als starker „Tages- und Wochenendreisemarkt“ und als Zugang für den nationalen und internationalen Markt.

Nach dem Zwischenergebnis für die Tourismuskonzeption schält sich bereits heraus, wo die Reise hingehen sollte. Nötig sei eine „abgestimmte Digitalisierung auf allen Ebenen“, heißt es etwa. „Die Gegenwart des Tourismus ist digital. Gewinnen werden in Zukunft je, die auch digital begeistern.“ Die TMB, schon jetzt mit ihrem Portal erfolgreichste deutsche Landesmarketingagentur, will kommendes Jahr ihre neue Homepage präsentieren. „Dann werden wir drei Monate Könige sein und müssen uns wieder etwas Neues einfallen lassen“, sagte TMB-Chef Dieter Hütte angesichts des Tempos im Wettbewerb. „Denn ein Internetjahr sind sieben Menschenjahre.“

Beim Tourismus geht es immer auch um Botschaften, um Emotionen. Da finden sich bei den Chancen, wie Brandenburg aktuelle Trends aufnehmen könnte, um sich als Marke, als Reiseziel zu profilieren, spannende Anstöße: „Temporärer Sensuchtsort, Gegenwelt“, heißt es dort etwa, oder auch: „Globale Risikogesellschaft: objektive Sicherheit als Standortvorteil für Brandenburg.“ Und: „Neue Konsummuster: weg vom materiellen Konsum hin zu Lebensqualitätkonsum: nachhaltig, authentisch, regional, fair, ökologisch.“

Freilich, auch Risiken führt die Analyse auf, mit denen alle umgehen müssen. An erster Stelle wird ein „rasant wachsender Fachkräftemangel im Tourismus aufgeführt“. Schon jetzt kann in der Gastronomie jede fünfte Lehrstelle nicht besetzt werden, sind Anbieter bereits gezwungen, Angebote zu straffen. „Mehr Ruhetage einzuführen oder auf Mittagsangebote zu verzichten“, sagte Gerber. Brandenburg setze sich deshalb beim Bund dafür ein, das Gastgewerbe in die Liste der Mangelberufe aufzunehmen. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass Menschen aus Nicht-EU-Staaten für den  Job nach Deutschland einwandern dürfen. Ähnlich wie bei der Pflege, so Gerber, werde auch die Gastronomie auf Zuwanderung angewiesen sein.

nbsp;Thorsten Metzner

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