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Brandenburg: Schwere Panne bei Gemeindefusionen

Bürger wurden nicht angehört / Innenministerium und Landrat geben sich gegenseitig die Schuld

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Bürger wurden nicht angehört / Innenministerium und Landrat geben sich gegenseitig die Schuld Von Michael Mara Potsdam. Eine peinliche Panne bei den zwangsweisen Gemeindezusammenschlüssen sorgt für Aufregung in Landesregierung und Landtag: Nach Informationen der PNN sind die Bürger von 15 Gemeinden des Amtes Neuhausen (Landkreis Spree-Neiße) im Zusammenhang mit den Neugliederungs-Gesetzen des Landtages vom Frühjahr nicht angehört worden. Brandenburgs Verfassung schreibt aber ausdrücklich vor: „Vor einer Änderung des Gemeindegebietes muss die Bevölkerung der unmittelbar betroffenen Gebiete angehört werden.“ Welche Folgen das offenbar verfassungswidrige Vorgehen im Fall der 15 Gemeinden hat, ist noch nicht abzusehen. Denkbar ist, dass das Verfassungsgericht das vom Landtag beschlossene Gesetz zur „Änderung von Gemeinden und des Amtes Neuhaussen/Spree sowie des Landkreises Spree-Neiße“ ganz oder teilweise für nichtig erklärt. Offen sind auch die Konsequenzen für die Kommunalwahlen am 26. Oktober in den betroffenen Gemeinden. Das Innenministerium wollte am Freitag gegenüber den PNN mögliche Folgen nicht bewerten. Sprecher Heiko Homburg bestätigte jedoch: „Es gibt ein Problem.“ Innenministerium und Landrat schieben sich die Schuld für die unterlassenen Anhörungen gegenseitig zu. Nach Ansicht des Ministeriums hat allein Landrat Dieter Friese (SPD), die Panne zu verantworten, da er laut einschlägiger Verordnung Anhörungsbehörde sei. Friese – ein entschiedener Gegner der zwangsweisen Neugliederungen in seinem Kreis – verweist in einem den PNN vorliegenden Schreiben vom 23. September darauf, dass das Innenministerium zuständig sei, wenn durch Neugliederungen Kreisgrenzen verändert würden. Dies sei hier der Fall, weil drei weitere Gemeinden des Amtes Neuhausen – nämlich Groß Gaglow, Gallinchen und Kiekebusch – in Cottbus eingegliedert werden sollen. Die Bürger der letztgenannten drei Gemeinden sind tatsächlich vom Innenministerium angehört worden. Unklar ist, warum das Innenministerium nicht bemerkte, dass die anderen 15, die die neue Gemeinde Neuhausen bilden sollen, nicht angehört wurden. Aus seinem Abschlussbericht gehe hervor, dass eine Anhörung der Gemeinden des Amtes Neuhausen durch ihn nicht erfolgt sei, argumentiert Friese. Hingegen argumentiert das Ministerium, dass es keine Hinweise auf eine konträre Rechtsauffassung des Landrates gegeben habe. Intern wird allerdings bestätigt, dass im Abschlussbericht des Landrates für das Amt Neuhausen Anhörungen nicht erwähnt werden. Friese hätte melden müssen, dass es keine Anhörungen gegeben habe. Der CDU-Innenexperte Sven Petke sagte, er schließe nicht aus, dass Friese bewußt einen Eklat provozieren wollte. Dies könne diziplinarrechtliche Folgen haben. Alle 18 Gemeinden des Amtes haben schon im Frühjahr Verfassungsbeschwerde gegen die Neugliederung eingereicht. Verfassungsgerichts-Präsident Peter Macke wollte gestern unter Hinweis auf die laufenden Verfahren keine Prognose über den Ausgang geben. Zunächst warte das Gericht die Stellungnahme des Innenministeriums ab. Formale Fehler würden bei den Entscheidungen berücksichtigt. Nach Mackes Angaben werden sich die Hauptsache-Verfahren noch hinziehen. Insgesamt lägen mehr als 200 kommunale Verfassungsbeschwerden gegen die Neugliederung vor, außerdem mehr als 230 Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen, um das Inkrafttreten der angeordneten Gemeindezusammenschlüsse mit der Kommunalwahl zu verhindern. Macke sagte, dass vor dem ehrenamtlichen Verfassungsgericht ein „unglaublicher Berg“ von Arbeit liege. Man versuche, bis zur Kommunalwahl über die Anträge auf einstweilige Anordnung zu entscheiden. Erst dann könne sich das Gericht den Hauptsacheverfahren zuwenden.

Michael Mara

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