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„VERBOTENE STADT“: Schwieriges Monopoly in Kasernenstadt

Wünsdorf war ein Prestigeprojekt der Landesregierung, jetzt zieht sie sich endgültig als Investor zurück Das Behördenzentrum wird nicht weiter ausgebaut, für zahlreiche Immobilien werden Käufer gesucht

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Wünsdorf - Brandenburg sucht händeringend mutige Investoren „mit Visionen“ für ausgefallene Immobilien in der alten Militärstadt Wünsdorf: So ist unter anderem das schon zu Kaisers Zeiten errichtete und zuletzt vom Oberkommando der russischen Streitkräfte genutzte Badehaus im Internet zum Verkauf ausgeschrieben. Der Preis für diese „ganz besondere Perle der kaiserlichen Architektur“ mit Originalkacheln an Böden und Wänden wird nicht genannt. Eine Nutzung als „Luxuriöses Spa“ biete sich geradezu an, heißt es nur. Mit der Badeanstalt soll auch die einstige kaiserliche Militärturnanstalt veräußert werden, die von den Russen als „Haus der Offiziere“ genutzt wurde. Auf der Liste steht auch die 1911 bis 1914 erbaute Villa, in der zuletzt der russische Oberbefehlshaber Burlakow lebte. Für das Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute kleine Theater mit 150 Plätzen sowie die 1937 errichtete Heeresbäckerei samt Speicher werden ebenfalls Erwerber mit Ideen gesucht.

Die Zeit drängt, denn der Verfall der meist stark sanierungsbedürftigen historischen Gebäude – insgesamt stehen 21 Objekte auf der Denkmalliste – schreitet 13 Jahre nach dem Abzug der letzten russischen Soldaten sichtbar voran. Die Landesregierung selbst wird sich angesichts der angespannten Haushaltslage, wie Finanzminister Rainer Speer (SPD) jetzt bekräftigte, künftig nicht mehr als Investor in Wünsdorf betätigen. Nach Schätzungen hat sie nach der Wende insgesamt über 250 Millionen Euro in die frühere Militärstadt gepumpt, deren ziviler Umbau für den ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) ein Prestigeprojekt war. Er wollte Wünsdorf zur schönsten und größten Beamtenstadt Deutschlands machen. 10 000 bis 12 000 Bundesbeamte sollten angesiedelt, Wohnungen, Schulen, Kitas, Restaurants und Geschäfte gebaut werden. Als Stolpe mit seinem Plan beim damaligen Kanzler Helmut Kohl (CDU) abblitzte, wurde gegen heftigen Widerstand der Betroffenen beschlossen, Landesbehörden nach Wünsdorf umzusiedeln und Wohnungen für die Beschäftigten zu bauen, die dort aber gar nicht wohnen wollten. Heute stehen viele Wohnungen leer.

Erst nach der Pleite der Landesentwicklungsgesellschaft LEG wurden viele Planungen auf Eis gelegt. Nur der Bau des Landesbehördenzentrums ging weiter. Er ist jetzt, wie Speer mitteilte, weitgehend abgeschlossen. 13 Behörden sind nach Wünsdorf umgezogen, 840 Landesbeamte arbeiten dort. Mindestens 1000 waren jedoch vorgesehen. Der Leerstand in den für über 72 Millionen Euro zum Behördenzentrum umgebauten Kasernen beträgt zehn Prozent. Auch wenn, was man derzeit prüft, noch Grundbucharchive dort einziehen sollten, dürfte im Zuge des von der Landesregierung beschlossenen drastischen Personalabbaus in der Landesverwaltung der Leerstand anwachsen. Weitere Behördenumzüge sind aber nicht geplant.

Speer will vielmehr ungenutzte Immobilien auf dem Gelände des Behördenzentrums verkaufen. Er kündigte eine „aktive Vermarktung“ an. Jüngste Erfolge bei Auktionen andernorts bewiesen, „dass auch schwer verwertbare Objekte zu verkaufen sind“.

Dennoch macht der Minister keinen Hehl daraus, dass der ehemalige Militärstandort „schwierig ist und bleibt“. Vor übertriebenen Hoffnungen warnt auch die Entwicklungsgesellschaft Wünsdorf/Zehrendorf EWZ, die gegründet wurde, um das 590 Hektar Militärgelände zu entwickeln, jetzt aber fast nur noch mit der Vermarktung der nicht zum Behördenzentrum gehörenden Immobilien befasst ist, darunter auch die denkmalgeschützten Gebäude aus Kaisers- und Wehrmachtszeiten. „Die Schwierigkeit ist, dass die Grundstücke und Gebäude wahnsinnig groß sind“, sagt Geschäftsführerin Birgit Flügge. „Die in Frage kommende Käuferschicht ist deshalb von vornherein sehr klein.“ Die vielen abrissreifen ehemaligen Kasernen erleichterten die Vermarktung nicht gerade. Dennoch gebe es in jüngster Zeit Erfolge. So habe erst im April ein englischer Investor 4,7 Hektar rund um die inzwischen etablierte Bücher- und Bunkerstadt erworben, die zu einer Besucher-Attraktion geworden ist. Auch verhandle man derzeit mit einem Investor über den Verkauf der einstigen kaiserlichen Militärturn- und -badeanstalt.

Insgesamt bietet die Entwicklungsgesellschaft noch 300 Hektar Grundstücks- und Waldflächen zum Verkauf an. Flügge hofft, dass Bau und Inbetriebnahme des neuen Großflughafens in Schönefeld Auftrieb geben werden. Im Internet wird bereits damit geworben, dass die Entfernung zum künftigen Airport Berlin-Brandenburg International (BBI) nur 30 Kilometer beträgt. Speer ist trotzdem skeptisch: „Das ist immer noch zu weit weg.“

Michael Mara

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