zum Hauptinhalt
Flaschengeist. Das Pilotprojet Lieber schlau als blau ist umstritten.

© dpa

Von Anja Brandt: Schwips unter Aufsicht

Berlin hält brandenburgisches Suchtpräventionsprojekt für Jugendliche für kontraproduktiv

Stand:

Lindow/Berlin - Für die 14- und 15-Jährigen gibt es ein bis zwei „Trinkeinheiten“ – ein bis zwei Flaschen Bier oder Gläser Wein also – und für die 16- und 17-Jährigen zwei bis drei Gläser. Wer 18 und älter ist, darf sich auch ein Glas Wodka genehmigen. Auf jeden Fall soll Alkohol fließen, ganz offiziell, und das ruft Kritiker auf den Plan.

Streitthema ist das brandenburgische Projekt „Lieber schlau als blau“, dessen zentraler Bestandteil ein sogenannter Trinkworkshop ist. Hier sollen die Jugendlichen Alkohol im – laut Konzept – „risikoarmen Bereich“ trinken. Unter pädagogischer Aufsicht, mit Vorbesprechung und Auswertung – und nur, wenn die Eltern dem Projekt zugestimmt haben.

Das Programm der Salus Reha-Klinik für Suchtkrankheiten in Lindow (Ostprignitz-Ruppin), das das brandenburgische Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben hatte, läuft seit dem Herbst 2008 in den Landkreisen Uckermark, Oberhavel und Havelland sowie in Potsdam. Adressaten sind Schulen und Freizeiteinrichtungen. In Berlin war das Projekt bisher kein Thema – bis der Elternausschuss (BEA) des Bezirks Steglitz-Zehlendorf davon hörte und für Mittwochabend eine Informationsveranstaltung organisierte. Eingeladen hatte der Elternausschuss auch Johannes Lindenmeyer, den Direktor der Salus Klinik. Daraufhin bat die Berliner Bildungsverwaltung die Organisatoren, „dem Projekt keinen Raum zu geben“. Es hebele die Zielsetzung der Berliner Suchtprävention aus, den Beginn des Alkoholkonsums so weit wie möglich hinauszuschieben. Der Senat habe sogar gefordert, Lindenmeyer wieder auszuladen, heißt es im BEA.

Petra Samani, stellvertretende Vorsitzende im BEA Steglitz-Zehlendorf, sagt: „Wir finden den Ansatz des Programms ungewöhnlich und wollen uns einfach nur informieren.“ Samani ist überzeugt, dass das Projekt einen seriösen Hintergrund habe – schließlich genieße die Salus Klinik einen ausgezeichneten Ruf. Dass die Senatsverwaltung derartigen Druck ausübe, und das Programm nicht einmal angeschaut werden dürfe, findet Samani haarsträubend.

Martin Sand von der Bildungsverwaltung erklärt: „Es muss darum gehen, Jugendliche vom Alkoholkonsum abzuhalten.“ Es könne nicht sein, dass die Schule als solche das Alkoholtrinken ermögliche. „Es gibt genug andere Projekte, die Jugendlichen die Probleme von Alkohol aufzeigen, ohne dass sie ihn ausprobieren müssen“, findet Sand. Zum Beispiel Plakataktionen.

Ziel des Programms „Lieber schlau als blau“ sei es, Jugendlichen einen genussorientierten und verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol beizubringen, in dem sie weder sich noch andere gefährdeten, betont Simone Schramm von der Salus Klinik. „Wir wünschen uns auch, dass Jugendliche später anfangen, Alkohol zu trinken.“ Die Realität sehe aber anders aus, Jugendliche tränken viel früher als erlaubt. Daher sei es wichtig, den richtigen Zeitpunkt für Prävention nicht zu verpassen. „Bei dem Projekt treffen die Jugendlichen im kontrollierten und geschützten Rahmen auf Alkohol“, sagt Schramm. Außerhalb der Schulen oder Freizeiteinrichtungen passiere das ohne Kontrolle und sei daher viel gefährlicher.

Das findet auch der Steglitz-Zehlendorfer Elternausschuss. Und so fand die Informationsveranstaltung – die laut Samani schließlich noch kein Festlegen auf das Projekt bedeute – trotzdem statt. Mit Lindenmeyer auf dem Podium.

Anja Brandt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })