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Der Linke-Landtagsabgeordnete Luthardt (links) - hier auf einer Archivaufnahme mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der Linke-Fraktionandtag, Christian Görke.

© dpa

Von Johann Legner: Sechs oder sieben?

Neuer Stasi-Fall bei Linken sorgt für heftige Diskussionen: CDU und FDP wollen Konsequenzen, Grüne warnen, SPD sieht sich verfolgt

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Potsdam - Der Generalsekretär der brandenburgischen CDU, Dieter Dombrowski, hat am Mittwoch erneut das Ende der rot-roten Regierungskoalition in Brandenburg gefordert: „Das Maß ist voll, das Bündnis muss beendet werden“, sagte er in Potsdam. Zuvor hatte die Stasi-Unterlagenbehörde BStU Akten herausgegeben, wonach der Linke-Abgeordnete Michael-Egidius Luthardt Ende der 1970er Jahre als Soldat im Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ des DDR-Geheimdienstes MfS gedient hat – im Rahmen seines dreijährigen Wehrdienstes als Soldat auf Zeit. Linke und SPD aber auch die oppositionellen Grünen sahen am Mittwoch im Fall Luthardt allerdings noch keinen weiteren Stasi-Fall.

Luthardt hatte Ende der 1970er Jahre eine Verpflichtungserklärung zum Dienst als Soldat auf Zeit im MfS unterschrieben. Nach den Richtlinien der BStU gilt er damit als ehemals hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS. Eine Verpflichtungserklärung als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) oder Spitzelberichte finden sich zwar nicht in den am Mittwoch herausgegebenen Unterlagen der Stasi-Unterlagenbehörde; auch kein Hinweis auf eine spätere Anwerbung Luthardts.

Luthardt selbst erklärte auf einer kurzfristigen Pressekonferenz, er habe sich als Jugendlicher für einen dreijährigen Wehrdienst entschieden, um anschließend studieren zu können. Er habe während der Armeezeit und des Forst-Studiums Anwerbeversuche des MfS für eine Tätigkeit als IM zurückgewiesen. Er habe keine Mitmenschen bespitzeln wollen, sagte er. Der Forstwissenschaftler ist Landesbeamter, war zuletzt Referatsleiter im Umweltministerium und war als Landesdiener schon überprüft worden.

Offen blieb gestern allerdings, wie offen Luthardt mit seinem Dienst beim MfS-Wachregiment umgegangen war und ob dies seine Wähler wussten. Parteichef Thomas Nord – einst Stasi-IM – sagte, er habe nichts von einem Dienst Luthardts beim Wachregiment gewusst. Zuvor hatte der stellvertretende Linke- Fraktionsvorsitzende Stefan Ludwig gesagt, es sei bekannt gewesen, dass Luthardt im Wachregiment gedient habe.

In seiner Vita für den Landtag hatte Luthardt lediglich „Wehrdienst“ für seine dreijährige Armeezeit angegeben. Der Zusatz, dass dieser nicht bei der regulären Armee, sondern beim MfS-Wachregiment stattfand, fehlt. Nur auf seiner eigenen Homepage findet sich ein PDF-Dokument, in dem es heißt: „Erste Dämpfer während des dreijährigen Wehrdienstes beim Wachregiment.“ Was sich hinter „Wachregiment“ verbirgt, steht dort nicht.

Das Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ wurde in und um Ostberlin vor allem zur Absicherung von Staatsgebäuden, MfS-Objekten, der Staatsführungs-Wohnsiedlung in Wandlitz und zu Paraden eingesetzt. Der Dienst beim Wachregiment, unterschied sich allerdings in aller Regel von der konspirativen Arbeit der in den anderen Einheiten des Ministeriums beschäftigten Mannschaften und Offiziere. Er erfolgte zumeist in Uniform und umfasste nicht geheimpolizeiliche Operationen wie beispielsweise das Anwerben von Spitzeln oder die Einleitung von Untersuchungsverfahren gegen Regimegegner. Eine bedeutende Anzahl junger Männer verpflichtete sich aus unterschiedlichsten, oft auch privaten Gründen dazu, ohne ansonsten in die Arbeit der Staatssicherheit einbezogen zu sein. Die vorliegenden Unterlagen zu Luthardt weisen nach Expertenmeinung derzeit nicht darauf hin, dass es sich bei ihm um eine Ausnahme handeln könnte.

CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski sprach gestern allerdings vom „siebenten Stasi-Spitzel in der Linksfraktion“ und forderte von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) Konsequenzen. Die FDP-Fraktion verlangte von der Linkspartei, alle Fälle komplett offenzulegen und die „Salami-Taktik“ zu beenden. Die Grünen-Fraktion erklärte dagegen, eine seriöse Einschätzung der neuen Vorwürfe sei noch nicht möglich.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Kralinski betonte: „Ich habe den Eindruck, hier findet eine Hetzjagd statt, die eine vernünftige Aufarbeitung nicht möglich macht.“

Grünen-Fraktionschef Vogel forderte von Luthardt und der Linke-Fraktion, „darzulegen wann und in welchem Ausmaß die Partei und die Öffentlichkeit über dessen Tätigkeit im Wachregiment informiert wurden“. Der Fall belege die Dringlichkeit eines geordneten Überprüfungsverfahrens durch den Brandenburger Landtag, so Vogel, wie es ein von Bündnis 90/Die Grünen vorgelegter Gesetzentwurf vorsehe. Vogel warnte davor, „in der jetzigen aufgeheizten Stimmung den Maßstab zu verlieren“.

SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke übte Kritik an der Stasi-Unterlagenbehörde. Er bemängelte, dass trotz der beantragten Überprüfung aller Abgeordneten „dosiert“ einzelne Akten an die Medien weitergegeben würden. Das sei inakzeptabel, da alle Fraktionen Aktenauskunft beantragt hätten. Es gebe keinen Grund „am Hohen Haus vorbei via Medien täglich neue ''Enthüllungen''“ zu bringen und das Land Brandenburg in Misskredit zu bringen. Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) forderte die Birthler-Behörde in einem Brief auf, das Parlament unverzüglich über mögliche Informationen zu Stasi-Tätigkeiten von Abgeordneten zu informieren.

In den vergangenen zwei Wochen hatten immer weitere Enthüllungen über einstige Stasi-Kontakte von Linken-Abgeordneten in Brandenburg für hitzige Debatten gesorgt. Am Montag waren wegen Stasi-Vorwürfen zwei Linkspolitikerinnen zurückgetreten: Gerlinde Stobrawa legte – erst auf Druck ihrer Fraktionsführung – ihr Amt als Landtags-Vizepräsidentin nieder, die Abgeordnete Renate Adolph gab ihr Mandat auf. Der Abgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffman verweigert Konsequenzen. Insgesamt sitzen in der Linkefraktion sechs Ex-Stasi-Mitarbeiter; zählt man Luthardt dazu, sieben. Für Freitag ist eine Sondersitzung des Landtags anberaumt. Dann will Platzeck eine Regierungserklärung abgeben. (mit dpa, ddp, pet, thm)

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