Brandenburg: „Seelische Abartigkeit“
15 Jahre Haft wegen Totschlags für Mutter der neun toten Babys Landgericht bestätigte Urteil / Keine Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit
Stand:
Frankfurt (Oder) – Die Mutter der neun toten Babys von Brieskow-Finkenheerd in Brandenburg ist auch in einem zweiten Prozess zu 15 Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt worden. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit der 13-fachen Mutter, urteilte das Landgericht Frankfurt (Oder) gestern. Die Richter folgten damit dem Antrag von Staatsanwältin Anette Bargenda die in ihrem Plädoyer festgestellt hatte: „Die Angeklagte sah es als selbstverständlich an, ihre Kinder zu töten.“ In dem zweiten Prozess ging es nur um die Höhe des Strafmaßes. Die Tötung eines Neugeborenen im Jahr 1988 ist verjährt. Die Richter gingen damals davon aus, dass Sabine H. die Babys zwischen 1992 und 1998 „sterben ließ“, weil ihr Mann keine weiteren Kinder wollte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil im März 2007 teilweise aufgehoben, weil die Frankfurter Richter nicht ausreichend geprüft hätten, ob Sabine H. vermindert schuldfähig war. Die heute 42-Jährige, die ihre drei ältesten Kinder sowie die jüngste Tochter bis zu ihrer Inhaftierung liebevoll versorgte, war daraufhin für den Revisionsprozess ein zweites Mal begutachtet worden.
Doch der neue Gutachter kam zu keinem anderen Ergebnis wie sein Vorgänger: Sabine H. sei voll schuldfähig. Ihr Verteidiger Matthias Schöneburg kritisierte das in seinem Abschlussplädoyer scharf: Beide Gutachter seien den vom BGH gesehenen Hinweisen auf eine schwere Persönlichkeitsstörung nicht nachgegangen. So lasse das Verhalten seiner Mandantin nach den Taten sehr wohl auf eine „seelische Abartigkeit“ schließen.
Sabine H. hatte die neun zwischen 1988 und 1998 getöteten Babys in Blumenkästen und anderen Pflanzbehältern auf ihrem Balkon begraben, um sie „immer um sich zu haben“. Sie hatte auch ausgesagt, dass sie gern auf dem Balkon saß und sich vorstellte, wie die Kinder jetzt miteinander spielen oder auf ihrem Schoß sitzen würden, wenn sie noch lebten.
Die Leichen der toten Babys waren im Juli 2005 auf einem Grundstück in Brieskow-Finkenheerd gefunden worden. Es gehörte den Eltern von Sabine H., die die Pflanzbehälter dort unterstellte, als sie die Wohnung wechselte.
Auch die schwere und jahrelange Alkoholabhängigkeit seiner Mandantin hätten beide Gutachter nicht genügend berücksichtigt, kritisierte der Verteidiger und erinnerte an Zeugen, die während des ersten Prozesses berichtet hatten, dass Sabine H. manchmal bis zu drei Flaschen Klaren am Tag trank. Für ihn stehe fest, dass seine Mandantin zumindest bei sieben der acht verurteilten Taten hochgradig alkoholisiert und deshalb vermindert schuldfähig war.
Staatsanwältin Bargenda sah das völlig anders. Für sie hat die Angeklagte „durchdacht und zielgerichtet wehrlose Kinder getötet“, wobei sie „im Gebären und anschließendem Töten bereits Routine entwickelte“. Deshalb gebe es keinerlei Gründe, weniger als 15 Jahre Haft zu beantragen, sagte die Staatsanwältin, die im ersten Prozess eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert hatte.
Bargenda sah auch keinen Hinweis darauf, dass der frühere Ehemann Oliver H. von den Schwangerschaften und der Tötung der Kinder gewusst oder sogar daran mitgewirkt habe. Oliver H. hatte im Prozess die Aussage verweigert. Verteidiger Schöneburg sagte hingegen, es sei eigentlich unerträglich, dass der Ehemann nicht mit auf der Anklagebank sitze. „Dass ein durchschnittlich normaler Mensch von neun Schwangerschaften seiner Frau nichts mitbekomme, glaubt doch keiner.“
Sabine H. verfolgte den gestrigen letzten Verhandlungstag bis zur Urteilsverkündung eher teilnahmslos. Die zierliche Frau mit den dunkel getönten Haaren verzichtete darauf, vor dem Urteilsspruch noch ein persönliches Wort zu sagen.
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