Von Peter Tiede: „Sehr befremdlich“: Auch die EU ist von Markov irritiert Von wegen Routine und schnelle Lösung: Brüssel hat dem Land die gesperrten Gelder nicht freigegeben
Potsdam/Brüssel – Hat Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) am vergangenen Donnerstag das Parlament in die Irre geführt? Die Frage stellt sich Mitgliedern des Ausschusses seit Montag.
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Potsdam/Brüssel – Hat Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) am vergangenen Donnerstag das Parlament in die Irre geführt? Die Frage stellt sich Mitgliedern des Ausschusses seit Montag. Bei der Europäischen Kommission in Brüssel stellt man sich diese Frage schon seit der Vorwoche. Denn Markov hatte dem Parlament am Donnerstag auf einer eilig anberaumten Sondersitzung des Haushaltsausschusses suggeriert, dass die EU wohl noch am selben Tag, zumindest aber zeitnah, gesperrte EU-Gelder für Brandenburg wieder freigeben wird. Dass die EU Brandenburg seit Monaten Gelder sperrt, hatten die Abgeordneten aus der Zeitung erfahren.
Doch bis heute sind die Millionen aus dem EU-Strukturfonds Efre nicht frei. Nach PNN-Informationen werden sie auch nicht ohne Weiteres freigegeben. „Brandenburg ist noch nicht so weit, wie wir es uns wünschen und wie es in der Europäischen Union Standard ist“, sagte ein ranghoher EU-Beamter, der namentlich nicht genannt werden wollte, am Montag.
Zuvor hatten die PNN am Donnerstag berichtet, dass die EU Brandenburg mindestens 200 Millionen Euro aus dem Efre-Förderprogramm gesperrt hat, weil erhebliche Mängel bei der Kontrolle und Abrechnung festgestellt wurden. Die meisten Probleme waren in Markovs Ressort festgestellt worden. Aber auch andere Ministerien – etwa die für Wirtschaft und Infrastruktur – sind betroffen.
Markov hatte über die EU-Sperre das Parlament, das die Haushaltshoheit hat, nicht informiert. Selbst die Regierungsfraktionen von SPD und Linke erfuhren nichts – bis auf Finanzexperten der Linken. Und auch Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) war am Donnerstag ahnungslos in den Landtag gekommen – auch ihn hatte Markov über Monate offenbar nicht informiert. Platzecks Sprecher jedenfalls hatte auf PNN-Anfrage mitgeteilt, dass der Ministerpräsident erst am Donnerstagvormittag „im Zuge der Debatte um die Aktualisierung der Tagesordnung der Landtagssitzung vom Finanzminister informiert“ wurde.
Zu dem Zeitpunkt verhandelten aber längst Regierungsexperten und EU-Emissäre: Um Brandenburg nach Monaten des Nichtsüberweisens einen Weg zurück an die EU-Tröge zu ebnen, hatten sich Beamte aus Brüssel Anfang der Vorwoche nach Potsdam begeben. Mitte der Woche war dann eine Delegation aus Brandenburg in Brüssel, um über eine Verbesserung der Förderkontrolle zu verhandeln. Offenbar war dieser Besuch nicht so erfolgreich, wie Markov es den Abgeordneten suggerierte: Die Gelder sind nicht frei.
Doch nachdem Markov schon die Sperre verschwieg, ließ er in der Vorwoche auch den Haushaltsausschuss im Unklaren über die tatsächliche Auswirkung der Sperre. Dem Ausschuss bestätigte er nur, dass die EU seit Oktober 2010 etwa 42 Millionen Euro sperrt. Das stimmt auch. Doch durch diese Sperre und wegen der nicht abgestellten Mängel hatte sich jeder weitere Antrag auf fällige und vom Land vorfinanzierte Efre-Mittel aus Potsdam erledigt – er wäre nicht genehmigt worden. So kamen zu den 42 Millionen noch einmal mehr als 140 Millionen Euro. Das sagte der Minister nicht.
Was Markov bewog, zu suggerieren, die Lösung des Efre-Problems sei sehr nahe, gibt auch der EU Rätsel auf. Der ranghohe EU-Beamte: „Diese Bemerkung des deutschen Ministers hat das Verfahren sicherlich nicht beschleunigt. Wir reden hier über gravierende Fehler im System und der zuständige Minister tut dies als Kleinigkeit ab. Das ist schon befremdlich.“
Der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Axel Vogel, warf nun Markov vor, die Sperre „verharmlost zu haben“. Der habe die Überprüfung als Routinevorgang dargestellt und gesagt, die Mängel seien bereits abgestellt, so Vogel am Montag. Doch auch er hat bei der EU erfahren, dass „von einer unmittelbar bevorstehenden Freigabe nicht die Rede sein“ kann. „Die Mängel“, so Vogel, „müssen entweder gravierender sein als Markov es glauben machen wollte, oder er ist über die Dauer der EU-Prüfungsprozesse nicht im Bilde“.
Der ranghohe EU-Beamte schloss nicht aus, dass es wieder zu Zahlungen an Brandenburg aus dem wichtigsten Fördertopf der EU für Regional- und Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaft kommen könnte. Aber: „Wenn Brandenburg in den nächsten Wochen wieder Mittel bekommt, dann nur unter Auflagen und unter Vorbehalt. Grundsätzlich gilt: Das Vertrauen ist gestört.“
Da geht es der EU wie der Opposition im Landtag. Denn die wundert sich noch an einem anderen Punkt. Im Parlament hatte Markov erklärt, er habe planmäßig dem Haushaltsausschuss den Jahresabschluss für das vorige Haushaltsjahr auf der nächsten regulären Sitzung im März vorlegen wollen. Daraus wäre auch die EU-Sperre ersichtlich geworden. Nur: Ludwig Burkardt (CDU), Chef des Ausschusses, hatte da gerade die – auch mit dem Ministerium abgestimmte – Tagesordnung für die Sitzung fertig. Burkardt: „Da stand von dem Bericht nichts drin.“ (mit thm)
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