Brandenburg: Sinn und Sinnlichkeit
Kein Orchesterbändiger, aber dennoch hört alles auf ihr Kommando, wenn die Dirigentin Judith Kubitz am Staatstheater Cottbus den Taktstock hebt
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Kein Orchesterbändiger, aber dennoch hört alles auf ihr Kommando, wenn die Dirigentin Judith Kubitz am Staatstheater Cottbus den Taktstock hebt Von Frederik Hanssen Cottbus. Wie sieht eigentlich die Arbeitskleidung einer Dirigentin aus? Trägt frau Frack oder Abendkleid, wenn sie vors Orchester tritt? Bei solchen Fragen muss Judith Kubitz lachen: „Na ja, ich trage weder das eine noch das andere, sondern einen schwarzen Hosenanzug. Aber als weibliches Wesen bin ich dennoch zu erkennen!“ Es sieht sogar äußerst attraktiv aus, wenn sich die erste Kapellmeisterin des Staatstheaters Cottbus am Ende der Vorstellung verbeugt. Und dennoch ist Judith Kubitz auf den ersten Blick genau das Gegenteil von dem, was sich der normale Theaterbesucher unter einem Dirigenten vorstellt: Kein Orchesterbändiger, vor dem die Musiker zittern, kein Maestro, den die Aura des Pultmagiers umweht. Wenn man der zierlichen jungen Frau dann aber beim Gespräch gegenübersitzt, merkt man schnell, dass sie absolut das Temperament hat, eine Theatertruppe zusammenzuhalten. „Dirigent wird eben nur derjenige, der sich immer wieder sagt: Hey, ich will unbedingt da vorne stehen!“ Dieser Drang stellte sich bei der gebürtigen Bautzenerin relativ spät ein: Als Mädchen sang sie gerne in Opernproduktionen des Sorbischen Volkstheaters mit, doch ihr Berufsziel war Chordirigentin. Als sie dann aber fürs Examen an der Weimarer Musikhochschule mit der Lausitzer Philharmonie auch Orchesterwerke probte, packte es sie plötzlich. Und weil auch den Musikern die Arbeit Spaß gemacht hatte, wurde Judith Kubitz als Assistentin des Chefdirigenten engagiert. Nach weiteren Studien in Paris und London konnte sie ihren ersten echten Job als Dirigentin 1999 in Kassel antreten. Seit Herbst 2003 arbeitet sie nun als „zweiter Mann“ beim Philharmonischen Orchester Cottbus neben Generalmusikdirektor Reinhard Petersen. Verdis „Rigoletto“ hat sie schon äußerst erfolgreich geleitet, bei Johann Strauss“ „Nacht in Venedig“ sorgte sie dafür, dass trotz des wilden Treiben auf der Bühne keiner seinen Einsatz verpasste. Für Ende April stehen dann zwei Sinfoniekonzerte mit südamerikanisch inspiriertem Programm an. Mit Judith Kubitz über Dirigentinnen zu sprechen, ist gar nicht so leicht: Denn wenn sie aufs Dirigentenpult steigt, will sie nicht als Frau wahrgenommen werden, sondern einfach als Künstlerin. Dass Frauen anders dirigieren würden als Männer – sozialer, diplomatischer – glaubt sie nicht. „Bei Orchestermusikern habe ich bisher noch keine negativen Erfahrungen mit Vorurteilen gemacht“, berichtet sie. „Wenn die erste Probe beginnt, wird man natürlich gemustert, getestet. Doch dabei geht es ausschließlich darum herauszufinden, ob man zusammen Musik machen kann. Und das ist eine Frage des Charakters, nicht des Geschlechts.“ Ja, Judith Kubitz ist ehrgeizig. Sie will nach oben, will die Früchte ihrer intensiven Arbeit ernten. Doch bei allem Selbstbewusstsein wirkt sie völlig uneitel. Sie möchte einfach zeigen, was sie drauf hat. Dabei ist ihr jede Herausforderung recht. „Ich habe keine Vorlieben, was das Opernrepertoire betrifft. Ich will keine Spezialistin für Wagner oder Barockmusik werden“, erklärt sie und unterstreicht mit einer eleganten, weit ausholenden Bewegung, dass sie für alles offen ist. „Mir macht alles Spaß, denn ich stehe einfach unheimlich gerne im Orchestergraben oder auf der Konzertpodium.“
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