POSITION: So schnell schießen die Preußen nicht
Für eine privilegierte Partnerschaft vor der Länderehe Berlin-Brandenburg
Stand:
Wie doch die Zeit vergeht: Vor der Volksabstimmung zur Fusion der Länder Berlin und Brandenburg im Mai 1996 warnte Ministerpräsident Manfred Stolpe eindringlich: „Wenn die Fusion scheitert, dann wird das Thema 20 Jahre lang nicht angepackt.“ Diese Aussage ist nun bereits vierzehn Jahre alt.
Nachdem durch einen Beschlussantrag des Potsdamer SPD-Vorstandes die Fusionsdiskussion neu belebt wurde, gab es in Politik, Wirtschaft, Vereinen und Verbänden in Brandenburg und Berlin eine angeregte Diskussion und – für einige sicher überraschend – jede Menge positive Reaktionen für einen Neustart der Zusammenarbeit. Damit ist ein erstes Ziel unseres Vorstoßes bereits erreicht. Berlin und Brandenburg reden wieder über eine gemeinsame Zukunft.
Es gibt Stimmen die sagen, dass den Brandenburgern dieses Thema nicht auf der Seele brennt. Das ist sicherlich richtig. Aber wenn es nur nach aktuellen Popularitätswerten gehen würde, müssten auch andere Themen ganz schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Dann müssten wir auf das Ziel der Haushaltskonsolidierung genau so verzichten wie auf die Förderung regenerativer Energien, denn Sympathiepunkte bekommt man weder für Sparmaßnahmen noch für Windparks in der jeweiligen Nachbarschaft. Wer ein Thema als wichtig erkennt, muss in der Demokratie dafür werben.
Schon heute sind Berlin und Brandenburg die beiden Länder, die in Deutschland am engsten zusammenarbeiten. Ob es der Neubau des Flughafens in Schönefeld oder die gemeinsame Landesplanung oder die mehr als zwanzig verschiedenen länderübergreifenden Verbände und Initiativen vom DGB über den ADAC bis hin zum gemeinsamen Verkehrsverbund sind: Es gibt bereits gemeinsame Strukturen für Berlin und Brandenburg. Wenn man die bestehende Zusammenarbeit ausbaut und auf weitere Bereiche ausweitet, dann kann aus der Kooperation zweier Länder die Grund-lage für eine Fusion entstehen. Oder wie es Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe jüngst ausdrückte: „Wer zusammenarbeitet, wächst zusammen.“
Was wir zurzeit nicht brauchen, ist eine überhastete Diskussion über Abstimmungstermine oder die Erarbeitung einer neuen Verfassung. Dies würde bedeuten – wie 1996 – den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Man schickt doch auch streitende Paare nicht aufs Standesamt, sondern erst einmal in einen gemeinsamen Urlaub oder auf Paartherapie. Nur im gemeinsamen Alltag kann Vertrauen wachsen. Wichtig ist nicht vordergründig der formale Status, sondern der Aufbau von Verständnis, Respekt und gemeinsamen positiven Erfahrungen.
Und das ist bei der Beziehung zwischen Berlin und Brandenburg genauso: Man muss beiden Ländern und ihren Menschen die Gelegenheit geben sich kennen zulernen und die Vorteile der Zusammenarbeit zu erleben. Dazu gehört die Angleichung von Normen und Standards genau so wie die Zusammenführung von Landeseinrichtungen. Die mutige Maxime einer privilegierten kooperativen Partnerschaft beider Länder lautet: schrittweise Angleichung und Aufhebung der trennenden Unterschiede bei Beibehaltung der länderspezifischen Souveränität.
Es gibt zu viele Themen, bei denen die Eitelkeiten beider Länder sinnvollen Problemlösungen im Wege stehen: von unterschiedlichen Feiertagen über unterschiedliche Schulsysteme und Formen der Polizeiausbildung, bis hin zu einer kontraproduktiven Konkurrenz bei der Wirtschaftsförderung oder beim Werben um junge Lehrer. Während in Brandenburg die Gefängnisse (glücklicherweise) leer stehen, baut Berlin neue Vollzugsanstalten, statt die leeren Brandenburger Zellen günstig zu mieten.
Solange sich dies nicht ändert, werden die Bewohner beider Länder natürlich kein Interesse an einer Fusion entwickeln. Doch dies liegt nur daran, dass die politisch Verantwortlichen beider Länder sich zu oft als Rivalen, und zu selten als Partner verstehen. Wenn Konkurrenz das politische Geschäft bestimmt, kann Gemeinsames nicht wachsen. Dann kann sich kein Mehrwert für die Menschen der Metropolregion entwickeln.
Nach der Phase der Zurückhaltung braucht es jetzt deutliche Schritte beider Länder aufeinander zu:
1. Ein klares Bekenntnis der Politiker beider Länder zu einer kooperativen Partnerschaft in allen Bereichen, zum Beispiel durch einen Beschluss beider Parlamente.
2. Die Bemühungen zum Zusammenschluss von Landeseinrichtungen müssen verstärkt werden. Wir brauchen einen verbindlichen Fahrplan für die Fusion weiterer Verwaltungseinheiten.
3. Eine Bestandsaufnahme aller Gesetze, Normen und Standards die im Sinne einer engeren Zusammenarbeit vereinheitlicht werden müssten.
4. Eine gemeinsame Geschäftsstelle beider Länder, die den Prozess der Zusammenführung der Landeseinrichtungen und die Anpassung der Gesetze kontinuierlich vorantreibt und bei der alle Handlungsstränge zusammenlaufen.
Auf diesem Weg können wir die Wirtschaftskraft und die Lebensqualität in beiden Ländern deutlich verbessern. Die Menschen werden die Vorteile und die gemein-same Kraft der Metropolregion Berlin-Brandenburg spüren können. Wenn die Zusammenarbeit zur Normalität wird und sich in der Praxis bewährt, dann könnte als letzte Etappe die Vorbereitung einer erneu-ten Abstimmung zur Länderfusion in Angriff genommen werden – doch dies ist erst der letzte Schritt.
Die Autoren: Mike Schubert ist Unterbezirksvorsitzender der Potsdamer SPD
Sören Kosanke ist wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD Landtagsfraktion
Mike Schubert, Sören Kosanke
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