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Frust nach Frost. Von satten Ernteerträgen wie 2006 können märkische Obstbauern in diesem Jahr nur träumen. Ein Kälteeinbruch im Mai hat einen Großteil der Blüten erfrieren lassen. Statistiker erwarten die schlechteste Apfelernte seit 20 Jahren.

© Henry Klix

Brandenburg: SOS aus der Obstplantage

Brandenburgs Obstbauern leiden unter erheblichen Ernteausfällen und fordern Hilfe vom Land.

Von Matthias Matern

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Marquardt - Nicht der trockene April, auch nicht der verregnete Juli, sondern eine Nacht im Wonnemonat Mai hat Brandenburgs Obstbauern eine der schlechtesten Ernten seit Jahren beschert. Das zumindest behauptet Manfred Kleinert, Geschäftsführer des Obstgut Marquardt in Potsdam und Vorstandsmitglied der Bundesfachgruppe Obstbau. „In der Nacht vom 5. zum 6. Mai hatten wir bis zu minus sechs Grad. Ein Großteil der Blüten ist erfroren“, schildert der Obstbauer. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg gibt Kleinert Recht. In diesem Jahr werden die märkischen Betriebe wegen des Kälteeinbruchs voraussichtlich die schlechteste Apfelernte seit 20 Jahren einfahren, teilten die Statistiker noch vor wenigen Tagen mit. Im Vergleich zum vergangenen Jahr würden derzeit mehr als 80 Prozent weniger Äpfel geerntet, hieß es weiter. Wegen der enormen Ausfälle bei gleichbleibenden Kosten fordern die Bauern jetzt Hilfe vom Land. Doch die Landesregierung reagiert zurückhaltend.

Insgesamt rechnet Kleinert landesweit mit Einbußen zwischen 60 und 90 Prozent quer durch alle Obstsorten. Auf seinem eigenem Hof wachsen neben Äpfeln auch Pflaumen, Erdbeeren und Kirschen. Seinen Ausfall schätzt der Verbandsfunktionär auf rund 80 Prozent. „Ich kann fast nichts ernten, aber düngen und die Bäume zurückschneiden muss ich trotzdem“, klagt Kleinert. Wie hoch der finanzielle Verlust ausfallen wird, will der Potsdamer lieber nicht sagen. „Sonst habe ich morgen die Banken auf dem Hals“, sagt Kleinert. Schließlich hat er nicht nur laufende Kredite zu bedienen, sondern muss voraussichtlich auch noch einen neuen aufnehmen, um die Kosten zu decken.

Wie Kleinert geht es derzeit vielen Obstbauern. Seine sechs festen Mitarbeiter habe er bereits entlassen müssen, sagte er. Auch in anderen Betrieben seien bereits Fachkräften in bedeutender Zahl gekündigt worden. Mit Insolvenzen sei zu rechnen. Laut Verbandsangaben sind landesweit rund 5000 Personen im Obstanbau beschäftigt. Vom Land fordert Kleinert Hilfe bei der Beschaffung neuer Kredite, kurzfristige finanzielle Hilfe zur Überbrückung der Krise und Maßnahmen, um die gekündigten Fachkräfte bei der Stange zu halten. „Die würden doch alle sofort einen neuen Job bekommen. Zum Beispiel im Handel“, meint der Vorstand der Bundesfachgruppe Obst.

Gerade erst hat Kleinert Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) sein Leid geklagt. An diesem Tag hat der Minister auf dem Obstgut Marquardt eine Fotoausstellung über Brandenburgs frühere Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) eröffnet. Die Gelegenheit wollte sich der Verbandsfunktionär nicht entgehen lassen. „Baaske hat mir versprochen, die Forderungen in die Kabinettssitzung und in den Landtag zu tragen“, berichtet Manfred Kleinert optimistisch.

Im Arbeitsministerium klingt das weniger dynamisch. Baaske habe lediglich als „Gast dieser Veranstaltungen Bitten entgegen genommen“, sagt Ministeriumssprecher Florian Engels. Zudem falle das Thema nicht in die Zuständigkeit eines Arbeitsministers. Auch im Landwirtschaftsministerium will man keine großen Hoffnungen wecken. „Wir können kein Grünes Licht für ein landesweites Hilfsprogramm geben“, sagte Sprecher Jens-Uwe Schade. „Die Betroffenheit ist zwar in einigen Regionen wie rund um Potsdam groß, aber eben nicht landesweit.“ Sobald die vollständige Erntebilanz vorliege, werde Minister Jörg Vogelsänger (SPD) die Situation neu bewertet, kündigte Schade an.

Dieses Mal geben die Statistiker dem Landwirtschaftsministerium Recht – zumindest bei der Apfelernte. Nach ersten Schätzungen liegt der Ertrag in diesem Jahr bei 28,1 Dezitonnen (1 Dezitonne = 100 Kilogramm) pro Hektar, teilte das Amt mit. Das seien 123,2 Dezitonnen weniger als 2010. Es gebe aber erhebliche Unterschiede zwischen den Betrieben, hieß es weiter. Während einige Obstbauern mit mehr als 100 Dezitonnen pro Hektar rechnen könnten, hätten andere Betriebe Totalausfälle. Allerdings ist die besonders von Ausfällen betroffene Region zwischen dem westlichen Potsdam und Werder (Havel) (Potsdam-Mittelmark) das bedeutendste Obstanbaugebiet des Landes. „Hier sind 56 Prozent aller Betriebe“, behauptet Kleinert.

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