Brandenburg: Sparkasse zum neunten Mal überfallen
Filiale in Freyenstein wird regelmäßig ausgeraubt / Nachbarn finden Sicherheitsvorkehrungen zu gering
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Freyenstein - Grau, kalt und trüb ist es an diesem Februarmorgen. Ein paar Autos fahren die Wittstocker Straße in dem kleinen, 1100 Einwohner zählenden nordwestbrandenburgischen Städtchen Freyenstein entlang. Ein paar Fußgänger huschen eilig über den Fahrdamm. Besorgt blickt mancher hinüber auf die Zweigstelle der Sparkasse Ostprignitz-Ruppin. Ob da heute wohl alles in Ordnung ist? Schließlich ist das Geldinstitut schon zum neunten Mal seit 1990 von bewaffneten und maskierten Tätern überfallen worden.
Der letzte Raub ist erst wenige Tage her. Am Montagabend kurz vor 18 Uhr verließen die beiden Sparkassenangestellten das Haus, wollten gerade abschließen, als plötzlich ein vermummter Mann auf sie zustürmte und sie mit gezückter Pistole in den Schalterraum zurückdrängte. Dort ließ er sich das Bargeld aushändigen – und verschwand. Wie viel er erbeutet hat, will die Sparkasse nicht sagen.
Der Freyensteiner Johannes Heinemann schüttelt nur noch den Kopf: „Der Täter hat schräg gegenüber der Sparkasse gewartet. Dass den da keiner gesehen haben will, das kann doch gar nicht sein. Es war doch nicht das erste Mal, dass hier Kriminelle ihr Unwesen getrieben haben. Das begreife ich nicht.“ Vor Jahren hatte die Polizei hingeguckt und zwei Männer gestellt, die einen Banküberfall auf die Freyensteiner Filiale äußerst dilettantisch vorbereitet hatten: Sie parkten mit ihrem Wagen vor der Bank, hatten aber vorn und hinten unterschiedliche Nummernschilder angeschraubt. Von den Beamten gefragt, was sie denn vorhätten, gaben sie freimütig zu, die Bank überfallen zu wollen.
Die Polizei nimmt an, dass der gleiche Täter vor fast genau einem Jahr die Sparkasse in Freyenstein schon einmal überfallen habe. Und auch die berüchtigte „Schlapphut-Bande“ war unter den Räubern. Auf ihr Konto sollen 52 brutale Banküberfälle seit 2002 gehen. Dabei sollen sie rund 3,6 Millionen Euro erbeutet haben. In Freyenstein war ihr Raubzug aber misslungen. Mit einem Lieferwagen waren die Täter ohne Beute geflüchtet. Polizisten in einem Opel Corsa konnten die Verfolgung aufnehmen, wurden aber mit brutaler Gewalt von den Räubern gestoppt. Mit einer vorgehaltenen Pump-Gun zwangen sie die Polizisten aus ihrem Auto und verschwanden mit Transporter und Streifenwagen.
Henry Harm aus dem mecklenburgischen Jaebetz ist ein Kunde des Freyensteiner Geldinstituts. Er erzählt, dass nach einem Überfall regelmäßig ein bewaffneter Wachmann im Schalterraum postiert würde. Nach 14 Tagen ist er aber wieder verschwunden.“ In Freyenstein, fürchtet man jetzt, dass die Sparkasse ihre Zweigstelle demnächst schließt. „Wer soll denn da noch arbeiten? Es gibt in dem Gebäude kaum Sicherheitstechnik und das wissen die Ganoven. Deswegen kommen die doch alle her“, sagt Michael Schwandt, der in der Nachbarschaft wohnt.
Polizeisprecher Olaf Pokorny sagt, dass der Bank die Empfehlung gegeben worden sei, Systeme einzuführen, die es unmöglich machen, auf Bargeld nach Belieben zuzugreifen.
Aus der Sparkassenzentrale in Neuruppin ist zu hören, dass sie sich vorerst nicht aus Freyenstein zurückziehen will. „Natürlich überdenken wir unsere Sicherheitskonzepte. Ländliche Regionen bergen für Überfälle nun mal ein Risiko“, sagt Bankchef Karsten Teuffert. „Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass wir die Zweigstelle in Freyenstein schließen werden“, sagt Teuffert.
Die Angst, dass ihre Bank wegen der vielen Überfälle geschlossen werden könnte, hatten die Freyensteiner schon Mitte der 90er Jahre. Kurz nach der Wende war die Zahlstelle ein beliebtes Ziel von Bankräubern: Es gab kein Sicherheitsglas, man konnte einfach über den Tresen springen und die Autobahn ist auch nicht weit. Und: Wenige Kilometer hinter dem Ort liegt die Landesgrenze zu Mecklenburg und brandenburgische und mecklenburgische Polizei konnten damals nur über Umwege kommunizieren – bis die Nachbarpolizei in Röbel von einem Banküberfall erfuhr, waren die Räuber schon weg.
Mit Freyenstein verbindet sich indirekt auch der erste Tote, den es nach der Wiedervereinigung bei einem Bankraub in den neuen Bundesländern gegeben hat: In der Nachbarstadt Meyenburg war ein ABM-Arbeiter erschossen worden, als er Bankräuber am Verlassen der örtlichen Sparkasse hindern wollte. Die Täter hatten an diesem Tag die Filialen in beiden Orten nacheinander überfallen. Jahre später waren die Serientäter gefasst worden.
Von dem Täter vom vergangenen Montag gibt es noch keine Spur. Und in Freyenstein geht vorerst alles wieder seinen geregelten Gang. Die Kasse ist halbtags geöffnet. Die Kunden kommen – wenn auch mit gemischten Gefühlen. P. Tiede/George Russew
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