Brandenburg: Späte Ehre: Luckenwalder Schule feiert Rudi Dutschke
Nach jahrelangem Streit gedenkt das Gymnasium seines Absolventen. Er wäre heute 65 Jahre alt geworden.
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Nach jahrelangem Streit gedenkt das Gymnasium seines Absolventen. Er wäre heute 65 Jahre alt geworden. Luckenwalde – Heute gedenkt das Luckenwalder Friedrich-Gymnasium mit einer Versammlung auf dem Schulhof eines berühmten Absolventen. Es ist Rudi Dutschke, führender Kopf der 68er Studentenbewegung. Dutschke, der 1979 an den Spätfolgen eines Attentats starb, wäre heute 65 Jahre alt geworden. Noch vor zehn Jahren wäre hier eine Gedenkfeier für ihn undenkbar gewesen, es gab am Gymnasium heftigen Streit um den prominenten Absolventen. Eine Gedenktafel sollte nach dem Willen seiner Angehörigen in der Aula der Schule hängen, dem Ort, an dem sich Dutschke 1957 mit einer Rede bei den DDR-Oberen unbeliebt gemacht hatte. Darin wetterte der brillante Rhetoriker gegen den Kriegsdienst und sprach sich für Pazifismus und Reisefreiheit aus. Die Schulverwaltung verweigerte 1994 die Gedenktafel, die Stadtverwaltung musste mit der Ehrung auf den Gehweg vor der Schule ausweichen. Seit zehn Jahren ist die Bronzetafel mit der knappen Inschrift zur Erinnerung an Rudi Dutschke direkt neben dem Haupteingang des Schulgebäudes angebracht, für jeden Passanten sichtbar. Dutschkes jüngerer Bruder Helmut ist damit zufrieden: „Da steht sie richtig", sagt er, „denn Rudi war ein Mann der Straße." Rechts neben der Tafel – über dem Portal – wurde früher eines anderen gedacht: „Lenin-Schule“ stand dort in Stein gemeißelt, alle Erweiterten Oberschulen in der DDR hießen so. Heute ist das Wort „Lenin" einfach herausgeschlagen, aber mit Fantasie noch zu ahnen. Über den Namen der Schule wurde Mitte der neunziger Jahre diskutiert: Da plante die Stadt für das 1992 neu gegründete Gymnasium einen Anbau. Dutschkes Angehörige meldeten sich auch hier zu Wort, scheiterten aber mit dem Vorschlag, die Schule nach Dutschke umzubenennen. Die überwiegende Mehrheit von Lehrern, Eltern und Schülern lehnte das ab. Immerhin nannte sich die Theatergruppe der Schule mit dem Chiffre "eR.De." nach Rudi Dutschke, erzählt die Leiterin Gabriela Ulrich. Vor zwei Jahren wurden Auszüge aus einer seiner Reden in der Aula vorgetragen – in einem Theaterstück über Dutschke, das die Schüler selbst geschrieben hatten. Sehr umstritten war 1996 eine Wanderausstellung des Luckenwalder Heimatmuseums über Rudi Dutschke, die an mehr als 30 Orten in Deutschland Station machte. Die Ausstellung ist momentan eingelagert, da das Heimatmuseum gerade renoviert wird. Museumsleiter Roman Schmidt erinnert sich an die Zeit, als die Ausstellung konzipiert wurde. Die Kreis- und Schulverwaltung habe versucht, das Projekt zu verhindern. Schmidt wurde mit einer Abmahnung gedroht, Schüler des Friedrich-Gymnasiums, die sich an der Ausstellung beteiligen wollten, mussten das in ihrer Freizeit tun, als Schulprojekt ließ man die Ausstellung nicht gelten. Die Schüler und die betreuende Lehrerin mussten sogar Unterricht schwänzen, um sich den „Brandenburg-Preis", den die Ausstellung später gewann, in Potsdam abholen zu können. Der Schulleiter hatte ihnen dafür nicht freigegeben. Die Ausstellung über den Studentenführer wird 2006 einen festen Platz im neuen Heimatmuseum haben. Die Schüler des Deutsch-Leistungskurses am Friedrich-Gymnasium sind gar nicht unglücklich über den Namen ihrer Schule: „Ich weiß ja nicht,“ sagt eine Schülerin, „ob es in Süddeutschland so gut ankommt, wenn mein Abiturzeugnis von einer ‚Rudi-Dutschke-Schule'' ausgestellt ist.“
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