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Brandenburg: Späte Reue für Kindstod

Vater des verhungerten Babys von Frankfurt muss für acht Jahre in Haft / Motive bleiben unklar

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Frankfurt (Oder) - Mit leiser Stimme verliest Manuel D. am Montag im Landgericht Frankfurt (Oder) seine Erklärung: Er habe geahnt, dass der Zustand seines Babys lebensbedrohlich war, aber nichts getan, um zu helfen, sagt der Vater des im Februar 2008 in Frankfurt verhungerten Jungen. Die Erklärung ist die erste Äußerung des Angeklagten zu den Vorwürfen. Die Kammer kann das Verfahren abkürzen und verurteilt den 22-Jährigen schon am zweiten Tag des Revisionsprozesses wegen Totschlags durch Unterlassen und Misshandlung zu acht Jahren Haft, zwei Jahre weniger als im ersten Prozess im August 2008.

Der Fund des knapp sechs Monaten alten verhungerten Säuglings hatte vor gut einem Jahr deutschlandweit für Entsetzen gesorgt. „Das Kind war nur noch Haut und Knochen“, sagt am Montag der Vorsitzende Richter Matthias Fuchs. Es habe bei seinem Tod weniger als bei der Geburt im August 2007 gewogen. Zudem seien „erhebliche Wachstumsverzögerungen“ festgestellt worden. Das belege, dass der Junge über mehrere Monate mangelhaft ernährt worden sei, spätestens seit Weihnachten 2007, folgert Fuchs. Das Kind habe erhebliche Schmerzen gehabt.

„Der Tod ist durch chronische Mangelernährung verursacht worden“, sagt auch der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. „Gesehen hat er das Elend, aber nichts dagegen unternommen“, wirft er dem Angeklagten vor. Der 22-Jährige hatte zuvor in seiner Erklärung eingeräumt: „Ich habe versagt, und das bereue ich sehr.“ Er wisse, dass er als Vater die gleiche Verantwortung gehabt habe wie die Mutter.

Das Motiv für das Verhalten bleibt auch nach dem zweiten Prozess im Dunkeln. Auf Nachfrage des psychiatrischen Sachverständigen, warum nie ärztliche Hilfe geholt wurde, sagt der 22-Jährige: „Ich weiß, ich hätte handeln müssen.“ Er könne sein „gleichgültiges Verhalten“ nicht erklären. Auch der Gutachter kann nur mutmaßen: Vielleicht wollte der Angeklagte die Beziehung zur Ehefrau, die kurz nach der Geburt abstillte und das Kind „nicht an sich ranlassen“ wollte, nicht aufs Spiel setzen. Das seien aber Spekulationen, die Motive seien dem Angeklagten offenbar selbst nicht klar.

Die zur Tatzeit 20-jährige Ehefrau Ulrike D., die im ersten Prozess eine Jugendstrafe von sieben Jahren erhielt, im Gegensatz zu ihrem Mann aber keine Revision einlegte, wurde im aktuellen Verfahren nicht noch einmal gehört. Sie hatte vorab angekündigt, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Ihr attestierte der Gutachter „kindlich anmutende Verhaltensweisen“. Sie sei für die Mutterschaft offenbar nicht reif gewesen, habe sich in eine „Computer- und Spielewelt“ zurückgezogen.

„Die Verantwortung für die Ernährung ging nahezu vollständig auf den Mann über“, sagt der Gutachter. Nachdem er im Januar als Hausmeister beschäftigt worden sei, um die Familie aus der finanziell „prekären Situation“ herauszuführen, habe sich die Lage dramatisch zugespitzt. Der Tatbeitrag des Angeklagten sei niedriger gewesen als der Anteil der Ehefrau, weil er arbeitete und sich in der freien Zeit mehr um das Kind gekümmert habe als sie, sagt der Staatsanwalt.

„Er hat ganz gewiss nicht gewollt, dass das Kind stirbt“, sagt der Vorsitzende Richter. Dennoch habe der Angeklagte den Tod des Babys billigend in Kauf genommen. „Es gibt für das, was passiert ist, keine Ausrede“, betont Fuchs. Nach der Erklärung des Angeklagten vom Montag attestiert er dem 22-Jährigen, dass der eine „gewisse Einsicht“ zeige.

Jörg Schreiber

Jörg Schreiber

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