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Von Thorsten Metzner: Später Vater

Ex-Minister Speer gibt uneheliches Kind zu, will aber bei dessen Geburt 1997 nichts davon gewusst haben. Platzeck geht auf Distanz

Stand:

Potsdam - In der Brandenburg-Affäre ist Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) erstmals vorsichtig auf Distanz zu seinem Ex-Innenminister Rainer Speer gegangen: In einer Erklärung begrüßte Platzeck am Freitag zwar, dass Speer „die notwendige und erforderliche Klarheit in sein privates Leben gebracht hat und zu seiner Verantwortung ebenso steht wie zu seinen Fehlern“. Er fügte aber hinzu: „Trotzdem erfolgte diese Klärung sehr spät.“ Der Regierungschef, selbst wegen der Speer-Affären zunehmend unter Druck, reagierte damit auf ein öffentliches Geständnis des 51-jährigen SPD-Abgeordneten und engen Vertrauten: Speer hat nun erstmals zugegeben, tatsächlich Vater einer heute 13-jährigen unehelichen Tochter zu sein, die sechs Jahre lang staatlichen Unterhalt bezog. Bislang hatte der Ex-Minister, der im September 2010 wegen der Unterhaltsaffäre zurückgetreten war, jedwede Aussagen dazu unter Verweis auf seine Privatsphäre abgelehnt. Doch in einem Interview der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ verkündete er nun die Kehrtwende: „Ja, ich bin der Vater“.

Danach hat Speer nach seinem Rücktritt am 23. September im Oktober einen Vaterschaftstest gemacht, der positiv ausfiel. Inzwischen habe er an das Potsdamer Jugendamt den Unterhaltsvorschuss zurückgezahlt, auch alle Fragen des Unterhalts und standesamtlicher Art seien geklärt. „Alle Forderungen sind beglichen“, „im Rückblick ist man immer klüger“, sagte Speer, der sich nach der Beichte am Freitag gelöst wirkend in der Enquete-Kommission des Landtages zum Umgang mit der SED-Diktatur im Land zeigte.

Ausgestanden ist die Affäre für Speer, aber auch für Platzeck nicht. Vorwürfe, die Mutter damals zum Sozialbetrug angestiftet zu haben, weist er strikt zurück – ebenso eine persönliche Einflussnahme auf die zweifelhafte Verbeamtung der Ex-Geliebten und Kindsmutter in seiner Verantwortung als damaliger Chef der Staatskanzlei. Wegen dieser Verbeamtung steht Platzeck unter Druck, da die Staatskanzlei-Personalakte der Frau merkwürdige Lücken aufweist. Vor dem Hauptausschuss hatte Platzeck am Mittwoch den Fall als ordnungsgemäß verteidigt und sich hinter Speer gestellt, was ein verheerendes Echo hatte. Nun erklärte Platzeck, mit „früherer Klarheit“ und der „dann möglichen Erkenntnis“, dass es „besser gewesen wäre, auch beruflich getrennte Wege zu gehen, hätten sich alle Beteiligten die menschlich sehr belastende Debatte der letzten Monate ersparen können“. Den Rücktritt Speers hatte Platzeck noch so kommentiert: „Ich habe höchsten Respekt vor dem Schritt, sein Amt zum Schutz der Privatsphäre Dritter aufzugeben.“

Unterdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter gegen Speer wegen des Verdachts auf eine uneidliche Falschaussage. In einem Medienprozess, mit dem er eine Veröffentlichung der Sozialbetrugsvorwürfe verhindern wollte, hatte er sich festgelegt: Er sei „seinerzeit bei und nach der Geburt nicht davon ausgegangen, der Vater des Kindes zu sein“. Dem widerspricht ein veröffentlichter, von der Staatsanwaltschaft für echt erklärter E-Mail-Verkehr mit der Frau. Beide waren sich im Umweltministerium näher gekommen. Sie war zu der Zeit Mitarbeiterin bei Platzeck, damals Minister, Speer war Staatssekretär. Aus dem E-Mail-Verkehr geht hervor, dass Speer der Mutter erklärt hatte, als Vater „nicht zur Verfügung“ zu stehen. Zwischenzeitlich hatte er für das Kind, wie er jetzt einräumte, „hin und wieder“ gezahlt. Als er Chef der Staatskanzlei wurde, wechselte die Frau in die Regierungszentrale. Eine Begünstigung sieht Speer trotz seiner Unterschrift auf dem Verbeamtungsantrag von 2001 nicht. „Die Beziehung war 1997 beendet. Ich hatte deshalb nicht das Gefühl, befangen zu sein.“

Für die Opposition aus CDU, FDP und Grünen im Landtag ist der Fall nicht erledigt. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, rechtlich sei Speer „eindeutig befangen“ gewesen. CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski sagte: Bemerkenswert im Kontext der 13 Jahre verleugneten Vaterschaft sei das „Frauenbild der SPD“, die sich nicht distanziert habe vom Verhalten Speers, „für das man sich nur schämen kann“. Entscheidend für die Union seien die dubiosen Immobiliengeschäfte – in Speers Verantwortung als Finanzminister – mit „zwielichtigen Personen“ um die Krampnitz-Kaserne und die private Brandenburgische Boden Gesellschaft. FDP-Generalsekretär Gregor Beyer forderte indirekt Speers Rücktritt: Wer einen Verdacht auf Vaterschaft hege, dies und seine Verpflichtungen nicht kläre, sei „charakterlich nicht als Vorbild und damit auch nicht als Politiker geeignet“.

In den rot-roten Reihen fielen die Reaktionen auf die Beichte zurückhaltend aus. „Dieser Teil der Vorwürfe ist abgeschlossen“, sagte Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser. Speer habe sich nun „im Nachhinein korrekt verhalten“. Sie hoffe, dass nun auch im Interesse der Familie und des Kindes die Debatte aufhöre. „Alles andere wird im Untersuchungsausschuss geklärt.“ Und SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher sagte, er sei froh, dass Speer Fehler eingeräumt hat „und dabei ist, sie zu bereinigen“. Allerdings rumort es in der SPD durchaus. Trotz seiner späten Beichte hat Speer, der noch am Dienstag in der Sitzung der SPD-Fraktion kein Wort von der jetzt geklärten Vaterschaft verlor, wegen seines Verhaltens auch viele Sozialdemokraten verärgert.

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