zum Hauptinhalt
Geständig: Klaus-Dieter L. werden die Handschellen abgenommen.

© dpa

Brandenburg: Spätes Geständnis

20 Jahre nach der Tat: Prozess um Bernauer Millionenraub mit erschossenem Wachmann

Stand:

Frankfurt (Oder) - Frank-Michael W. wird den 25. Juni 1992 wohl nie aus seinem Gedächtnis streichen können. Der damalige Mitarbeiter einer Wachschutzfirma saß in einem Geldtransporter, der 3,5 Millionen D-Mark von der Landeszentralbank in Frankfurt (Oder) zur Sparkasse Bernau brachte. Zusammen mit seinem Kollegen trug er gerade die Geldbehälter zum Hintereingang der Sparkasse, als er die Worte „Überfall. Hinlegen“ hörte, wie der ergraute 60-Jährige im Landgericht Frankfurt (Oder) berichtet. Er ging zu Boden. Schüsse seien gefallen. Kurz darauf sah er seinen Kollegen blutend daliegen.

Knapp 20 Jahre nach der Tat wird der Kriminalfall seit Donnerstag wieder aufgerollt. Hinter der Anklagebank sitzt der 61 Jahre alte Klaus-Dieter L. Staatsanwältin Anette Bargenda wirft dem noch immer sportlich aussehenden Mann gemeinschaftlichen Raub mit Todesfolge vor. Drei Täter sollen laut Anklage mit einem in Berlin gestohlenen Transporter nach Bernau gefahren sein. Während einer der Männer den Raub mit einer Maschinenpistole abgesichert habe, soll sich ein zweiter Räuber in der Geldschleuse auf die Wachleute gestürzt haben.

Als ein Wachmann einen Schuss abgab, habe einer der Täter zweimal auf ihn gefeuert. Der Wachmann verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus an Hals- und Kopfverletzungen, wie Bargenda sagt. Wer schoss, bleibt ungeklärt, ist für die Staatsanwältin aber auch nicht entscheidend. „Die Anwendung der Schusswaffe war durch einen gemeinsamen Tatplan gedeckt“, heißt es in der Anklage.

Die Täter konnten seinerzeit unerkannt flüchten. Umfangreiche Ermittlungen blieben ohne Ergebnis. Der in Westberlin aufgewachsene Klaus-Dieter L. verübte zwischenzeitlich im März 2003 einen weiteren Überfall auf einen Geldtransporter nördlich von Magdeburg, wo er mit einem Komplizen über 2,7 Millionen Euro erbeutete. Das Landgericht Halle/Saale verurteilte ihn im März 2007 zu 13 Jahren und sechs Monaten Haft. Der Angeklagte sitzt nach Angaben seines Verteidigers derzeit in Berlin-Tegel seine Strafe ab und wurde am Donnerstag in Fußfesseln und Handschellen ins Frankfurter Landgericht gebracht.

Im Bernauer Fall tappten die Ermittler jahrelang im Dunkeln. Erst 2005 habe es einen Zeugenhinweis gegeben, der ins Umfeld des Angeklagten führte, wie die Staatsanwältin sagt. Zudem konnte eine im Fluchtfahrzeug gefundene DNA-Spur ausgewertet werden. Bei der Suche nach vergleichbaren Fällen stieß man auf die „Hammerbande“, die in den 1970er Jahren in Westberlin mehrere Geldtransporter ähnlich wie 1992 in Bernau überfallen hatte. Der Angeklagte soll einer der Köpfe gewesen sein. Er wurde 1980 vom Landgericht Berlin wegen Raubes in acht Fällen zu 15 Jahren Haft verurteilt.

„Sein Wunsch war, das ganz große Ding zu drehen“, heißt es im damaligen Urteil. In der Haft holte der umtriebige Mann laut Gerichtsakten 1989 das Abitur nach, später in den 1990er Jahren studierte er gar Erziehungswissenschaften. Schon im April 1992 wurde der Angeklagte wegen guter Führung auf Bewährung entlassen. Die Kammer hielt weitere Straftaten bei ihm für unwahrscheinlich, heißt es im Bewährungsbeschluss. Offenbar ein Trugschluss: Nur zweieinhalb Monate später soll er an dem Raub in Bernau beteiligt gewesen sein.

Am Donnerstag lässt der Angeklagte durch einen Verteidiger erklären, dass er die Vorwürfe einräumt. Zuvor hatten sich die Prozessbeteiligten darauf verständigt, dass er bei einem Geständnis eine Gesamtfreiheitsstrafe von maximal 15 Jahren erhält, das Urteil aus Halle eingerechnet. „Wenn hier auf 15 Jahre erkannt wird, wären rechnerisch noch anderthalb Jahre mehr abzusitzen“, sagt Verteidiger Christian Nordhausen. Das wäre für ihn kein schlechtes Ergebnis.

Die Namen seiner Komplizen verrät Klaus-Dieter L. nicht. „Wir haben im Fluchtfahrzeug noch weitere Spuren gefunden“, sagt dazu Bargenda, die unter Verweis auf die Ermittlungen keine Details nennt. Das erbeutete Geld könnte teils in Grundstücken stecken, teils im Ausland liegen. Die Ermittler stießen nach Bargendas Angaben auf Konten der Familie des Angeklagten in Österreich und der Schweiz.

Jörg Schreiber

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })