Brandenburg: Spinner und Spanner
Klimawandel-Schädlinge fressen alles kahl, Wollhandkrabben buddeln sich durch Havelstrand
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Berlin - Enten, Blässhühner, Muscheln – die kannte man ja an der Havel. Jetzt aber gräbt in Wannsee auch die Wollhandkrabbe ihre zerstörerischen Tunnel ins Ufer. Bis zu zehn Zentimeter lang ist die eingewanderte Art, sie hat scharf zugespitzte Sägezähne und Scherenhände. Die Krabbe kam im Ballastwasser mit Schiffen aus China, jetzt soll sie sogar schon in Berliner Gewässern Fische im Netz angreifen. Globalisierung und Klimawandel machen sich bis in Vorgärten und Forsten der Region bemerkbar.
Dem Deutschen Wetterdienst zufolge soll es schon in drei Jahrzehnten in Berlin Sommertage mit mehr als 40 Grad im Schatten geben. Statt im Sommer regnet es im Winter öfter, die Temperaturen schlagen extremer nach oben oder unten aus, die Winter werden im Schnitt wärmer – das alles bleibt nicht ohne Folgen für die Lebewesen in der Natur. So kommen die milden Winter und sonnigen, trockenen Frühsommer der vergangenen Jahre den sogenannten Fraßgemeinschaften zupass, wie Beraterin Isolde Feilhaber vom Pflanzenschutzamt Berlin weiß.
Wer in Berlins und Brandenburgs Wäldern spazieren geht, sieht derzeit Würmer, die nur auf den vorderen und hinteren Beinchen laufen und dabei in der Mitte einen Buckel machen – das sind die Raupen der Frostspanner-Schmetterlinge. Spanner-, Spinner- und Wicklerraupen fressen riesige Bäume mit frischem Grün leer. Vor allem ältere Eichen verkraften das nicht ohne Weiteres. „Wenn man neben dem Baum steht, hört man richtig das Klack-Klack, wenn der trockene Kot der Raupen auf den Boden fällt“, sagt die Expertin. Es gebe auch vermehrt Gespinstmotten in Büschen.
Besonders schlimm setzt der Eichenprozessionsspinner Bäumen in Berlin und Brandenburg zu. Weil er die Eichen am sonnigen Standort kahl frisst – und weil die späteren Schlupfgenerationen mit ihren Nesselhärchen auch vor allem Kindern und Kranken Probleme machen. „Wenn man die feinen Härchen einatmet, setzen sie sich in der Lunge fest und können allergische Reaktionen auslösen“, sagt Marc Franusch, Sprecher der Berliner Forsten. Vor allem in den Gegenden entlang der Havel in den westlichen Bezirken müssen daher etwa in Parks und nahen Kitas Bäume abgesperrt und die Gespinstnester tagsüber abgesaugt werden, wenn die Spinner als Prozession Kopf an Hinterteil hinaufklettern in die Fraßkrone. In Brandenburg sprühen die Behörden sogar schon biologische Bakterien zur Abwehr und zum Schutz der Bäume aus Helikoptern herab.
Die Liste der in Reisekoffern oder infolge des Klimawandels eingewanderten Tier- und Pflanzen-Invasoren ist lang. Kastanienminiermotte, nordamerikanischer Waschbär, asiatisches Streifenhörnchen, Kanada-Gans und Wandermuschel sind nur einige davon. Am Brandenburger Tor saugt die Wollige Napfschildlaus die Rinden der Linden aus. Dass viele Terrassenpflanzen bereits mit Läusekolonien befallen seien, sei aber nichts Ungewöhnliches. Da kämen dann schnell Marienkäfer als natürliche Fraßfeinde hinterher. Allerdings verdrängt schon die asiatische Marienkäferart – erkennbar an die zahlreicheren Punkten – die heimische.
„In Zukunft werden es in Berlin Arten und Pflanzen leichter haben, die als sogenannte Durstkünstler bekannt sind“, sagt Marc Franusch. Tiere, Büsche und Bäume, die es durch trockene Frühjahre und Sommer schaffen. Annette Kögel
Eine Liste aller eingewanderten Arten steht im Internet: www.europe-aliens.org.
Annette Kögel
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