Von Matthias Matern: Staatlich geförderter Stellenabbau
Francotyp Postalia zieht um. In der Prignitz will das kränkelnde Unternehmen mit neuem Personal Kosten sparen. IG Metall: „ Ein politischer Skandal“
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Potsdam - Um Kosten zu sparen will der Postdienstleister und Frankiermaschinenhersteller Francotyp Postalia Personal entlassen und seine Produktion vom Hauptsitz in Birkenwerder (Oberhavel) nach Wittenberge (Prignitz) verlagern – und dafür könnte er sogar noch Fördermittel vom Land Brandenburg erhalten.
In den kommenden Monaten werde in Wittenberge zunächst die Fertigung für das neue Frankiersystem „Phoenix“ aufgebaut, teilte der weltweit tätige Konzern am Freitag in Birkenwerder mit. Spätestens Ende März 2012 werde dann auch die Produktion in Birkenwerder geschlossen und in die Prignitz verlagert. „Unser Unternehmen wird damit weiterhin in Brandenburg produzieren und hohe Qualität für den weltweiten Markt garantieren“, sagte Vorstandssprecher Horst Szymanski am Freitag. Den Umzug und die Entlassungen in Birkenwerder nannte er eine Neuausrichtung der Produktion, die eine zentrale Maßnahme zur nachhaltigen Zukunftssicherung der gesamten FP-Gruppe sei.
Mit geförderten Umzügen kennt sich Francotyp aus: Das Unternehmen war einst aus dem Westteil Berlins nach Birkenwerder gezogen – gefördert vom Land Brandenburg, nun will es – wieder gefördert – weiter ziehen. Mit dem Schritt in den vom Land gesondert geförderten Wachstumskern um Wittenberge will die Firma ihre angeschlagene finanzielle Lage verbessern. Unter anderem sollen neue Arbeitsverträge die Lohnkosten senken. Wegen erheblicher Umsatzrückgänge war das Unternehmen 2009 in Schwierigkeiten geraten, konnte aber auch trotz bereits erfolgter weitreichender Zugeständnisse der bisherigen Belegschaft seine Ertragslage nicht entscheidend verbessern. Weitere Verhandlungen waren zuletzt als gescheitert erklärt worden. Rund 120 Mitarbeiter sind nun in Birkenwerder betroffen.
Nun soll die Schrumpfkur auf Kosten der Mitarbeiter mit Fördermitteln des Landes unterstützt werden: „Es liegt ein Antrag vor. Ob gefördert wird oder nicht, ist noch nicht entschieden“, teilte der Sprecher der Investitionsbank des Landes (ILB), Matthias Haensch, gestern auf PNN-Nachfrage mit. Aus dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium hieß es: „Wir freuen uns, dass damit der regionale Wachstumskern Perleberg, Wittenberge, Karstädt gestärkt wird.“
Birkenwerders Bürgermeister Norbert Hagen (parteilos) ist da verhaltener. Zwar solle die Geschäftsführung und die Forschungsabteilung von Francotyp in Birkenwerder bleiben. Die Entscheidung des Unternehmens sei aber „bitter“, da vor allem viele der in der Produktion Beschäftigten in Birkenwerder lebten. „Francotyp Postalia ist der größte Arbeitgeber vor Ort“, so Hagen gegenüber den PNN. Auf die Förderkriterien des Landes habe eine kleine Gemeinde wie Birkenwerder kaum Einfluss. Er habe „aber Zweifel, ob eine solche Förderung volkswirtschaftlich sinnvoll ist“.
Für den Standort Birkenwerder erhielt Francotyp Anfang der 1990er Jahre 13,5 Millionen D-Mark, umgerechnet knapp sieben Millionen Euro, an Landesförderung. Die Bindefrist lief laut ILB im Jahr 2000 aus. Die Gesamtinvestitionssumme für die neue Produktionsstätte in Wittenberge soll nach PNN-Informationen 13 Millionen Euro betragen.
Doch offensichtlich will der Postdienstleister auch noch eine weitere Förderquelle anzapfen. Das Unternehmen habe „bei der Geschäftsstelle der Arbeitsagentur in Perleberg nach dem Potenzial förderwürdiger älterer Mitarbeiter nachgefragt“, berichtete gestern Stefanie Jahn die für die Gewerkschaft IG Metall auch im Verwaltungsbeirat der Arbeitsagentur in Neuruppin sitzt. Somit könnte nicht nur die neue Produktionsstätte gefördert werden, sondern zusätzlich auch noch die Lohnkosten. Rund 50 Mitarbeiter sollen nach Unternehmensangaben zunächst in Wittenberge eingestellt werden. Aus „moralischen Gründen“ seien entsprechende Anträge nicht ablehnbar, räumte Jahn ein. Sollte das Land jedoch Fördermittel auszahlen, sei dies „ein politischer Skandal. Es kann nicht sein, dass an einer Stelle 120 ebenfalls teils ältere Mitarbeiter entlassen, dafür an anderer Stelle im Land mit Fördermitteln 50 Beschäftigte eingestellt werden“, sagte sie den PNN.
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