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Aufgewacht? Die Oder-Brücke Bienenwerder.

© Steyer

Brandenburg: Stahlmonster mit Zukunft

Denkmalgeschützte Oder-Brücke bei Bienenwerder soll Touristen wieder als Verbindung nach Polen dienen

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Wriezen – Auf deutscher Seite versperren Stacheldraht und ein geschlossenes Tor den Weg über die Oder, während im polnischen Teil bereits Schrottdiebe am Werk waren. Sie konnten ihr Werk in aller Ruhe ohne Angst vor Entdeckung verrichten. Denn das von ihnen heimgesuchte stählerne Monstrum befindet sich weitab von menschlichen Siedlungen und öffentlichen Straßen. Die nie in Betrieb genommene Eisenbahnbrücke Bienenwerder überspannt einsam und verlassen den Grenzfluss in der Nähe von Neurüdnitz, rund 60 Kilometer nördlich von Frankfurt.

Einst donnerten an dieser Stelle Personen- und Güterzüge der Wriezener Bahn von Berlin in die jenseits des Flusses gelegene Neumark mit Anschluss nach Stettin. Doch nach der Zerstörung der alten Brücke in den letzten Monaten des zweiten Weltkrieges 1945 und der Grenzziehung an Oder und Neiße war damit Schluss. Der 1954 eröffnete Neubau spielte nur noch als Reserve in den Planspielen der Militärs eine Rolle. Nun aber könnte es mit der jahrelangen Totenstille an dieser Brücke bald vorbei sein. Viel versprechende Pläne für eine touristische Nutzung machen im Oderbruch die Runde. „Ich könnte mir eine Wiederbelebung der Eisenbahnverbindung an den rund 15 Kilometer entfernten Moryner See vorstellen“, sagt der Unternehmer Axel Pötsch, der die spektakulär klingende Idee schon eine Weile verfolgt. „Auf polnischer Seite liegen im Unterschied zum einstigen Anschluss in Deutschland die Gleise noch.“ Mitten auf der Brücke könnte nach seinen Plänen eine kleine Station aufgebaut werden, von der historische Schienenbusse zu einer Tour in eine landschaftlich sehr reizvolle Gegend östlich der Oder starten sollen. Er besitze einen entsprechenden Fahrzeugpark, versichert der Chef der Spreehagener Verpackungsfirma Allpack, der in Brandenburg und Niedersachsen insgesamt vier Draisinenstrecken betreibt. Wanderer und Radfahrer sollten die Brücke gegen einen kleine „Zollgebühr“ passieren können.

Gerade für Radtouristen liegt die Brücke ideal. Vom S-Bahnhof Strausberg-Nord führt ein guter Weg bis nach Wriezen, wo ein glattes Asphaltband die Radler direkt zur Oder bringt. Die 13 Kilometer lange Strecke entstand erst in den vergangenen Jahren auf dem Gleiskörper der alten Bahnstrecke, nachdem die Schienen demontiert worden waren. Direkt vor der Brücke verläuft der Oder-Neiße-Radweg, der immerhin zu den fünf beliebtesten Radtouren in Deutschland gehört. Wer die 22 Kilometer von Strausberg bis zu dieser Kreuzung geschafft hat, muss entweder nach Norden in Richtung Unteres Odertal und Schwedt radeln oder Kurs auf das südlich gelegene Küstrin nehmen. Die Fahrt über die Oder bleibt an dieser Stelle versperrt.

Doch während die Kommunen beiderseits der Grenze die Idee der Brückenöffnung begrüßen und sich die Deutsche Bahn AG lieber heute als morgen von ihrem ungenutzten Eigentum trennen würde, sperrt sich die polnische Staatsbahn noch gegen einen Verkauf. Ihr gehört der 370 Meter lange Brückenteil von der Flussmitte, an den sich der 350 Meter lange deutsche Abschnitt anschließt. Die Verhandlungen, so verlautet aus den Amtsstuben im Oderbruch, verlaufen etwas schwierig. Schließlich hat das letzte Wort in solchen Fragen stets die Bahnzentrale im fernen Warschau. Aber in der Region wissen die Kommunalpolitiker, dass gewisse Ergebnisse nur mit Beharrlichkeit zu erreichen sind. Die im Vorjahr eröffnete Oderfähre Güstenbieser Loose stand auch lange Zeit in den Sternen.

Falls die Brücke tatsächlich geöffnet wird, sollen die Touristen auch Informationen über ihre ungewöhnliche Geschichte erfahren. 1892 rollten hier erstmalig Züge über die damals längste Oderbrücke. Beim Rückzug im Frühjahr 1945 sprengte die Wehrmacht den Übergang. Erst zwischen 1955 und 1957 entstand eine neue Brücke. Die Züge führen dennoch nur bis zum letzten Bahnhof auf westlicher Oderseite in Neu-Rüdnitz. Lediglich in den Plänen für den militärischen Ernstfall spielte die Brücke noch eine Rolle, um im Falle einer Sprengung der Übergänge in Küstrin oder Frankfurt über einen Ersatz verfügen zu können. Nicht zuletzt deshalb steht diese ungewöhnliche Brücke unter Denkmalschutz. Claus-Dieter Steyer

Claus-Dieter SteyerD

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