Landtag: Stasi-Papier unter Verschluss
Auf Druck von Parlamentspräsident Fritsch werden fertige Ergebnisse der Prüfkommission erst 2012 vorgelegt.
Stand:
Potsdam - Die vom Landtag beauftragte Kommission zur Überprüfung der Abgeordneten auf frühere Stasi-Tätigkeit wird am heutigen Mittwoch letztmalig tagen – doch das Ergebnis bleibt vorerst unter Verschluss. Nach PNN-Informationen hat Landtagspräsident Gunter Fritsch persönlich bei der vierköpfigen Kommission interveniert, damit das Abschlusspapier nicht mehr in diesem Jahr veröffentlicht wird. Und damit sich der Landtag nicht in dieser Woche damit befasst.
Grüne-Fraktionschef Axel Vogel kritisierte dieses Vorgehen scharf. Mit einer Überprüfung, die zwei Jahre dauert, sei der Landtag kein Vorbild für Gemeindevertretungen und Kreistage. Offenbar sollten damit Weihnachtsfeiertage der Betroffenen nicht beeinträchtigt und einigen Abgeordneten eine unerwünschte „schöne Bescherung“ erspart werden. Dies wurde den PNN selbst aus Kommissionskreisen bestätigt. Fritsch persönlich soll darauf gedrängt haben, hieß es.
Dabei ist das Anfang 2010 eingesetzte Prüfgremium, dem alle Stasi-Unterlagen und Stellungnahmen der Betroffenen seit einem Jahr vorliegen und das sich mit ihrem Bericht aufgrund umfangreicher zusätzlicher Recherchen Zeit ließ, mit der Formulierung seiner Feststellungen fertig. Seit Oktober drängte die Opposition, dass der Bericht endlich vorgelegt werden müsse. Die letzte Sitzung am heutigen Mittwoch dient noch der Abstimmung und Endredaktion einiger weniger Passagen und der Formulierung einer beabsichtigten Presseerklärung. Nach dem Willen der Kommission hätte das Papier dann am Freitag Frischt übergeben werden sollen. Dann hätte sich auch der Landtag damit befassen können.
Das aber soll nun erst im neuen Jahr geschehen. Als Grund nannte Kommissionschefin und Aufarbeitungsbeauftragte Ulrike Poppe, dass der Bericht nicht mehr auf der Landtagssitzung in dieser Woche behandelt werden könne. Landtagssprecherin Katrin Rautenberg bestätigte, eine Befassung sei aufgrund der umfangreichen Tagesordnung und der Geschäftsordnung des Parlaments in diesem Jahr nicht mehr möglich.
Diese Darstellung ist nach PNN-Informationen nur vorgeschoben – und erst nach Fritschs Intervention verabredet worden. Tatsächlich soll Frisch selbst der Kommission kürzlich erst einen Briefentwurf vorgelegt haben, in dem die Kommission den Landtag bittet, den Bericht erst Anfang 2012 vorlegen zu dürfen. In der Kommission hat Fritsch damit einigen Ärger ausgelöst. Im Landtagspräsidiums jedenfalls hat Fritsch die Verzögerung nicht mitgeteilt. Auf der jüngsten Sitzung wurde lediglich erklärt, dass die Experten in diesem Jahr nicht mehr liefern würden – was nach Angaben von Kommissionsmitglieder nicht stimmt. „Wir sind fertig und wollten den Bericht jetzt abgeben“, hieß es. Angeblich besteht bei Frisch die Sorge, dass die Ergebnisse, sollten sie dem Landtag als Drucksache übergeben werden, vorzeitig an die Presse gelangen. Dabei ist jetzt erst recht unklar, in wessen Händen die Ergebnisse während der Weihnachtsfeiertage bleiben. Für Verwirrung sorgte Fritschs Vorgehen in der Kommission auch, weil die Ergebnisse wenig überraschend ausfallen dürften. Es lege ohnehin alles auf dem Tisch, im Gremium habe zu den Stasi-Fälle Konsens geherrscht.
Einige der Abgeordneten der Linke-Fraktion, darunter Fraktionschefin Kerstin Kaiser, sind als einstige Inoffizielle Stasi-Mitarbeiter lange bekannt. Neben Kaiser zählt dazu Linke-Innenexperte Hans-Jürgen Scharfenberg. In einem Fall ist das Ausmaß der Verstrickung in das Spitzelsystem unklar – bei der Linke-Abgeordneten Gerlinde Stobrawa, die als SED-Funktionärin Kontakte zur Staatssicherheit hatte, aber eine heimliche Spitzeltätigkeit bestreitet.
Die Kommission war Anfang 2010 eingesetzt worden, nachdem in der Linksfraktion nach Bildung der ersten rot-roten Landesregierung im Herbst 2009 neue Stasi-Fälle bekannt geworden waren. Der Abgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann trat aus der Linke-Fraktion aus. Renate Adolph legte ihr Mandat, Gerlinde Stobrawa ihr Amt als Vizepräsidentin des Landtages nieder. Zuvor hatte es seit 1991 keine Stasi-Überprüfung der Brandenburger Landtagsmitglieder mehr gegeben.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: