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Konflikt-Rohstoff. Der Abbau und die Verstromung von Braunkohle im Land Brandenburg durch Vattenfall wie in Jänschwalde (Spree-Neiße) steht den Klimaschutzzielen der rot-roten Landesregierung im Weg. Längst spaltet das Thema das Kabinett.

© dpa

Brandenburg: Streit der Gutachter

Tack’s Umweltexperten kritisieren das zentrale Energie-Gutachten aus dem Wirtschaftsministerium als fachlich schlecht – trotz erfolgter Korrekturen

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Potsdam - Die interministerielle Arbeitsgruppe der brandenburgischen Landesregierung zur Neuformulierung der Energiepolitik stand am vergangenen Freitag vor einer kaum lösbaren Aufgabe. Denn die eigenen Umweltexperten, die Mitarbeiter der Abteilung Technischer Umweltschutz des Landesumweltamtes, haben einen 29-Seiten umfassenden Bericht auf den Tisch gelegt, der das gesamte bisherige Vorgehen in Frage stellt. Er verwirft radikal ausgerechnet jenes Gutachten, das das Fundament für die Erarbeitung der zukünftigen Politik sein soll und inzwischen vom Wirtschaftsministerium veröffentlicht worden ist. Die Landesbediensteten erheben den Vorwurf, bei der Studie handele es sich um ein Gefälligkeitsgutachten, das einer kritischen Überprüfung nicht standhält. Sollte dieser Studie gefolgt werden, so setze sich die Landesregierung dem Verdacht aus, „die Bemühungen bei Energieeinsparung und Effizienzsteigerung deutlich zurückschrauben zu wollen und die Klimaschutzziele bewusst außer Kraft zu setzen, um neuen Kohlekraftwerken undTagebauen Vorschub zu leisten.“

Dieses vernichtende Urteil hatte wie berichtet bereits vor der interministeriellen Sitzung zu einem Konflikt zwischen dem Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) und seiner Parteigenossin, der Umweltministerin Anita Tack geführt. Christoffers war erbost darüber, dass das Papier aus dem Hause Tack über die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hatte. Aber an Stelle sich mit den umfangreichen Einwänden aus dem Landesamt auseinanderzusetzen, wurde der Streit vertagt. Offenbar hofft die Landesregierung angesichts der Komplexität der Materie doch noch eine Formel zu finden, die die unüberbrückbaren Gegensätze verschleiert.

Als im Sommer die Wirtschaftsberatungsfirma Kearney ihr 130-Seiten umfassendes Gutachten zur zukünftigen Ausrichtung der Energiepolitik des Landes im Wirtschaftsministerium vorlegte, war eine der Grundaussagen, dass Brandenburg im Jahr 2030 keinesfalls in der Lage sein würde, die angestrebten Ziele bei der Senkung des CO2-Ausstoßes zu erreichen. Diese Feststellung fand auch lange vor der offiziellen Veröffentlichung den Weg in die Presse.

In der politischen Diskussion kommt sie jenen zugute, die eine Neuorientierung der Energiepolitik fordern und dafür die angeblich veränderten Rahmenbedingungen anführen. Was immer Brandenburg auch plane, von den Wunschzielen der Klimaschützer müsse man sich in jedem Fall verabschieden. Die Feststellung, Brandenburg habe gar keine andere Chance, als Klimasünder zu werden, ist allerdings nicht hinreichend begründet. Die Gutachter haben gravierende Fehler gemacht und sind von willkürlich gesetzten Annahmen ausgegangen, sagen die Fachleute vom Landesumweltamt. Und zumindest in einem Punkt hat ihnen selbst der Wirtschaftsminister inzwischen Recht gegeben. Denn was jetzt auf den Webseiten des Ministeriums zu lesen ist, ist eine nachgebesserte Fassung. Das bestätigt auch der Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Man habe im eigenen Haus bemerkt, dass die dem Gutachten zugrunde liegenden Betriebsstundenzahlen von Kraftwerken nicht realistisch sind.

Für das Landesumweltamt, das zum Umweltministerium gehört, ist dieser gravierende Fehler nur ein Beispiel für zahlreiche Ungereimtheiten: „Nahezu keine einzige Annahme oder Berechnung ist im Gutachten rechnerisch nachvollziehbar dargestellt“, heißt es in seiner Stellungnahme. Deswegen haben die amtlichen Experten in mühsamer Kleinarbeit ihrerseits gerechnet und kommen zu ganz anderen Ergebnissen: „Die aktuelle energie- und klimapolitische Zielstellung des Landes, die energiebedingten CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2030 um weitere 35 Prozent zu senken, ist erreichbar“, heißt es in ihrer Zusammenfassung.

Und sie verwerfen auch die Vorstellung von Kraftwerksneubauten. Angesichts der nationalen Zielbestimmung gebe es dafür „keine energiepolitische Notwendigkeit.“ Denn die von der Bundesregierung präferierten Zielszenarien, auf die das Landesumweltamt hinweist, gehen alle davon aus, so schnell wie nur irgendwie möglich, in jedem Falle lange vor 2050 aus der Braunkohleverstromung auszusteigen. Dies aber sei bei dem Gutachten, das vom Landeswirtschaftsministerium bestellt und veröffentlicht wurde, gar nicht erst berücksichtigt.

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