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Protest 2008 in Joachimsthal. Bürger protestieren gegen die Freilassung des als gefährlich eingestuften Sexualstraftäters Werner K. Der 49-Jährige war aus der Haft entlassen und der Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung abgelehnt worden.

© ddp

Von Matthias Matern: Streit um Standort

Pläne für gemeinsame Sicherungsverwahrung in Hauptstadtregion stocken

Von Matthias Matern

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Potsdam - Eigentlich wollen Berlin und Brandenburg bei der Sicherungsverwahrung gemeinsame Sache machen. Doch derzeit scheinen die beiden Länder sich eher von einer einheitlichen Lösung zu entfernen. Während Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) rückfallgefährdete Straftäter aus beiden Ländern künftig in Brandenburg an der Havel verwahren will, beharrt Berlins Justizsenatorin Giesela von der Aue (SPD) offenbar am Übergangsstandort Tegel, bis Berlins neue Justizvollzugsanstalt Heidering in Großbeeren (Teltow-Fläming) fertig gestellt ist.

Erst vor Kurzem hatte von der Aue in Potsdam betont, dass auch bei der Sicherheitsverwahrung eine „wohnortnahe Unterbringung“ geboten sei. Zwar sei das Männergefängnis Tegel als Lösung „nicht unmöglich“, sagte Frank Schauka, Sprecher im brandenburgischen Justiministerium am Montag. Doch nach wie vor werde die Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel favorisiert, so Schauka. Dort gebe es freie Kapazitäten für rund 180 Insassen. Ungenutzte Gebäudeteile müssten zuvor jedoch saniert werden. Allerdings befänden sich vor Ort bereits die Landesklinik, die sozialtherapeutische Anstalt und der Maßregelvollzug.

Notwendig ist die Reform aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg von Ende 2009. Dort gaben die Richter unter anderem vor, dass Personen in Sicherungsverwahrung getrennt von in Haft befindlichen Straftätern untergebracht werden müssen. Auf Anregung Schöneburgs hatten beide Länder im Frühjahr eine Arbeitsgruppe zusammengestellt, die ein gemeinsames Konzept erarbeiten soll. Für den gestrigen Abend war dazu eine Podiumsdiskussion im Berliner Abgeordnetenhaus geplant.

Im Land Brandenburg sind derzeit insgesamt sieben Personen in Sicherheitsverwahrung, davon sitzen drei in Brandenburg an der Havel und vier in Luckau-Duben (Dahme-Spreewald). Nach Angaben des Justizministeriums wird die Zahl bis 2020 auf rund 20 Personen steigen. Die Unterbringung eines Insassen koste im Schnitt 120 Euro pro Tag.

Sven Petke, Innenexperte der brandenburgischen CDU-Landtagsfraktion, kritisierte die Haltung von der Aues gestern als „Berliner Arroganz“. Schöneburg müsse gegenüber Berlin sein „Durchsetzungsvermögen unter Beweis stellen“.

Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Linda Teuteberg, sagte dagegen, die aktuelle Diskussion „befremde“ sie. „Ich halte es für unabdingbar, dass Berlin und Brandenburg kooperieren.“ Man könne nicht an zwei Standorten eine Unterbringung für eine „Handvoll“ Personen finanziell organisieren.

Unterdessen könnte das EU-Urteil dem Land Brandenburg auch noch in anderer Hinsicht teuer zu stehen kommen. Bis zu vier weitere Strafgefangene müssen voraussichtlich bis 2020 auf freien Fuß gesetzt werden, weil deren nachträglich verlängerte Sicherheitsverwahrung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Zwei entlassene Täter musste die brandenburgische Polizei bereits monatelang überwachen lassen. Angaben des Innenministeriums zufolge wurden dafür 80 000 Arbeitsstunden benötigt. Laut Petke seien so Kosten in Höhe von 1,2 Millionen Euro entstanden. „Und das waren nur zwei Fälle“, gab der CDU-Innenexperte zu bedenken.

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