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POSITIONEN: Studium ohne Abitur: Ausnahme oder Regelfall?

Das klassische Hochschulstudium ist für Berufstätige ungeeignet Von Klaus-Dieter Teufel

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Die Hochschulen wollen sich stärker für Berufstätige ohne Abitur öffnen. Dieses Angebot der Berliner Universitäten kommt zur rechten Zeit. Viel zu wenige Abiturienten beginnen ein Studium. Viel zu wenige Studierende beenden ihr Studium. Deshalb ist es nur konsequent, sich der Gruppe Berufserfahrener zuzuwenden, die zwar studieninteressiert sind, aber keine formale Studienberechtigung besitzen.

Das aber wird unser Problem einer zu niedrigen Akademikerquote nicht lösen. Dafür muss die Studierrate der Abiturienten deutlich steigen. Dafür müssen wesentlich mehr Studierende zum Erfolg geführt werden. Ergänzend dazu bietet die verbesserte Durchlässigkeit zwischen Beruf und Bildung die Chance, das Qualifikationsniveau der Beschäftigten zu erhöhen und auch so dem drohenden Fachkräftemangel gezielt zu begegnen. Die Möglichkeit, ohne Abitur, aber mit Berufsausbildung und -erfahrung ein entsprechendes Studium zu beginnen, ist nicht neu. Das Berliner Hochschulgesetz bietet dazu seit Jahren die Voraussetzungen. Warum aber wird von diesem Weg nicht umfassend Gebrauch gemacht? Sicher gibt es hier Informationsdefizite. Der Hauptgrund aber besteht unserer Ansicht nach darin, dass Form und Inhalt des klassischen Hochschulstudiums für Berufstätige praktisch ungeeignet sind. So kommt das übliche Vollzeitstudium für diese Zielgruppe kaum in Frage. Nur wenige Berufstätige können es sich leisten, für mehrere Jahre komplett aus dem Beruf auszusteigen, um zu studieren.

Aber auch die inhaltliche Struktur des Studiums ist für Berufserfahrene problematisch. Die traditionellen Studienangebote orientieren sich eher an den Anforderungen der Abiturienten. Hier werden und können die besonderen Stärken - und Schwächen - Berufserfahrener kaum berücksichtigt. Dabei sind Berufserfahrene die (fast) idealen Studenten. Sie entscheiden sehr bewusst für das Studium und bringen Praxiswissen ein, von dem ihre Kommilitonen und Lehrkräfte profitieren können. Allerdings verfügen sie aber in der Regel nicht über sofort abrufbares Abiturwissen. Hier müssen die Hochschul-Curricula ansetzen.

Außerdem wird mit einer verstärkten Präsenz Berufserfahrener an Hochschulen auch die Diskussion um die Anerkennung von Leistungen aus der Berufsausbildung und -tätigkeit eine neue Brisanz bekommen. An dieser Frage scheiden sich die Geister in der Hochschul- und Berufsbildungspolitik - noch. Die aktuelle Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse und die damit verbundene Modularisierung des Studiums bieten ein optimales Zeitfenster, diese längst überfällige Reform anzugehen.

Bleibt festzuhalten: Gute Angebote für berufsbegleitende Studiengänge, die sich gezielt an den Bedürfnissen Berufserfahrener orientieren, sind rar. Wo es sie gibt, werden sie auch angenommen. Die neue bbw-Hochschule ist dafür ein gutes Beispiel. Die gesamte Organisation ist hier auf die Zielgruppe der Berufstätigen ausgerichtet - von den Dozenten bis zum Lehrplan.

Studieren mit Berufserfahrung ist eine große Chance, für jeden Einzelnen - und für die Hochschule selbst.

Der Autor ist Stellv. Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin und Brandenburg e.V. (UVB)

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