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Von Alexander Fröhlich: Tack brüskiert eigene Koalition

Umweltressort zieht nicht abgestimmten Erlass für Windparks nach Interventionen aus den eigenen Reihen zurück

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Potsdam - Erneut hat das von Anita Tack (Linke) geführte Umweltministerium mit unabgestimmtem Vorgehen in der Energiepolitik Kopfschütteln und hektische Reaktionen in den Regierungsfraktionen von SPD und Linke ausgelöst. Tacks Staatssekretär  Daniel Rühmkorf erklärte am Mittwochvormittag im Umweltausschuss des Landtages und auf Nachfrage, ein neuer, seit Sommer umstrittener Erlass für den Bau von Windparks in Schutzzonen werde am Donnerstag unterzeichnet – und damit in Kraft treten.

Die Koalitionäre und auch Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) reagierten sichtlich entsetzt, fühlten sich brüskiert. Mitarbeiter des Wirtschaftsressorts wussten nichts von dem Erlass, obwohl die neue Richtlinie für die unteren Naturschutzbehörden mit dem Ministerien für Wirtschaft und Infrastruktur abgestimmt werden sollte. Die Fachleute der Koalition sahen sich durch Rühmkorf düpiert, auch sie waren nicht eingebunden. Hinter den Kulissen versuchten sie, ein neues Kommunikationsdesaster um den Erlass abzuwenden. Erst nach heftigen Interventionen der Fraktionen und des Wirtschaftsministers ruderte Rühmkorf am Nachmittag zurück. Im Wirtschaftsausschuss erklärte der Staatssekretär auf Nachfrage der verwunderten Abgeordneten, er sei falsch verstanden worden. Wegen „komplexen ressortübergreifenden Handelns“ solle der Erlass in zwei Wochen in Kraft treten. Auch aus dem Ministerium hieß es, der Erlass werde regierungsintern und an die Fraktionen zur Feinabstimmung verschickt.

Für die Opposition war das nicht nur ein Fauxpax des Staatssekretärs. CDU-Energieexperte Steeven Bretz sagte, er „fühle sich vom Umweltministerium an der Nase herumgeführt. Mit dem Wirtschaftsressort wird keine einheitliche Linie gefahren“. FDP-Umweltexperte Gregor Beyer sieht durch „das unberechenbare Vorgehen“ des Umweltressorts inzwischen die ehrgeizigen Klimaschutzziele für erneuerbaren Energien in Gefahr. Tack habe ihr Ministerium nicht im Griff. Das hatte tatsächlich in den Monaten zuvor mehrfach Irritationen ausgelöst, weil die mächtige Naturschutz-Abteilung die Vorgaben der Landtagskoalition für eine weitgehende Öffnung der Schutzklauseln wiederholt torpediert und erbitterten Widerstand geleistet habe, wie selbst Koalitions-Abgeordnete beklagten.

Die Fachleute von SPD und Linke, aber auch das Wirtschaftsressort wollen Wälder und Schutzgebiete für Windräder öffnen. Ziel ist eine Vorrangregelung für erneuerbare Energien – wegen zunehmender Konflikte mit Natur- und Landschaftsschutz aber auch mit Anwohnern bei der Festlegung neuer Windparks. Denn der Ausbau droht ins Stocken zu geraten, dabei soll der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbauch bis 2020 von derzeit 16 auf mehr als 20 Prozent steigen. „Die Reserven an Akzeptanz und Flächen sind für den ersten Zugriff verbraucht. Es sind zusätzliche Anstrengungen notwendig“, sagte Christoffers. Die Lage ist ohnehin angespannt, die überarbeitete Energiestrategie des Landes verzögert sich weiter und soll nun im Sommer vorliegen. Einfließen sollen von Gutachtern erstellte Szenarien, wie sich das Festhalten des Bundes an der Atomkraft, das mögliche Scheitern des CCS-Projektes zur Speicherung von Kohlendioxid auf Braunkohleverstromung und erneuerbare Energien auswirken.

Zumindest der Windkraft-Erlass sollte daher an einer Front für Klarheit sorgen. Doch das nötige Papier wurde seit dem Sommer mehrmals verschoben, interne Machtkämpfe blockierten die Pläne. Ende Oktober schien der Streit nach einem Krisengespräch der Koalitions-Experten mit Tack ausgeräumt, weshalb die Fachleute nun irritiert reagierten. Ex-Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD), der dem Wirtschaftsausschuss vorsitzt, sagte am Abend, nachdem die Koalition Rühmkorfs Vorstoß eingefangen hatte, ganz diplomatisch: Nach intensiven Diskussionen stehe eine Einigung unmittelbar bevor. „Ich bin froh, dass der Erlass noch vor Weihnachten in Kraft gesetzt werden kann.“ Erste Details sind bereits bekannt. Nach Informationen aus der AG Umweltpartnerschaft, in der sich die Landesregierung mit den Wirtschaftsverbänden abstimmt, werden die Abstandsregeln für Windräder zu bestimmten Vogelarten reduziert, bei Kranichrastplätzen auf 500 Meter. Auf Pufferzonen zu Schutzgebieten soll generell verzichtet werden. Nach Einzelprüfung können auch Landschaftsschutzgebiete als Windeignungsgebiete ausgewiesen werden, was den Fachleuten von Rot-Rot nicht weit genug geht.

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