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Brandenburg: Teure Betreuer

Justizressort erneut wegen laxer Etatpolitik in Kritik / Rechnungshof: enormer Kostenanstieg für Vormünder

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Potsdam - Nach der Trennungsgeld-Affäre gerät Brandenburgs Justizministerium erneut wegen laxen Umgangs mit Steuergeldern in die Kritik. Der Landesrechnungshof hat nach PNN-Recherchen gravierende Missstände bei Vergütungen und Aufwandsentschädigungen aufgedeckt, die aus der Landeskasse an von Gerichten eingesetzte Betreuer, Vormünder und Pfleger für altersdemente oder alkoholkranke Menschen gezahlt werden. Allein in diesem Jahr werden die Ausgaben für diese Zwecke um rund acht Millionen Euro steigen – auf 24 Millionen Euro, obwohl im Haushalt nur 16 Millionen Euro eingeplant worden waren.

Diese seit Jahren ungebrochene Kostenexplosion lässt sich nach den Erkenntnissen der obersten Finanzkontrollbehörde des Landes nicht allein mit der Zunahme älterer Menschen infolge der demographischen Entwicklung erklären. Offenbar hat sich – erleichtert durch mangelnde Kontrollen seitens der Gerichte – auch ein lukrativer grauer Markt herausgebildet. Die Prüfer stellten jedenfalls „teilweise erheblich überhöhte“ Abrechnungen von Betreuern fest, informierte Rechnungshofpräsident Gisela von der Aue nach Recherchen dieser Zeitung bereits vorige Woche den Haushaltsausschuss des Landtages. Sie rügte, dass das Justizministerium den teilweise „sprunghaften“ Ausgabenanstieg bislang nicht analysiert und ihn „daher auch nicht beeinflussen“ könne. Auch bemühe sich das Haus von Justizministerin Beate Blechinger (CDU) zu wenig um ehrenamtliche Betreuer.

Die Präsidentin informierte damit den Ausschuss bereits vorzeitig über ein brisantes Kapitel des Jahresberichtes des Landesrechnungshofes, der heute vorgestellt wird. Der Anlass für die ungewöhnliche Vorab-Information: Der Ausschuss beriet just über von Ministerin Blechinger für das laufende Haushaltsjahr beantragte und vom Finanzministerium bereits genehmigte „überplanmäßige Ausgaben“ für 2006 über zusätzlich 19 Millionen Euro, von denen die acht Millionen Euro Vergütungen für Vormünder, Pfleger und Betreuer den größten Anteil ausmachen.

Justizministerium, aber auch Finanzministerium begründen diese Mehrausgaben zwar mit einer höheren Zahl „richterlich angeordneter Betreuungen“, wie aus Papieren für den Ausschuss hervorgeht. Diese wiederum rühre daraus, dass es immer mehr alte Menschen gibt. So hat sich der Anteil der Brandenburger, die älter als 65 Jahre alt sind, laut Demografiebericht der Regierung von 1990 bis 2002 von 12 Prozent auf 17 Prozent erhöht. 2020 wird er 25 Prozent betragen. Das hat auch eine Zunahme von Altersdementen und damit auch von bestellten Betreuern, die dann eingesetzt werden, wenn sich Familienangehörige nicht kümmern, zur Folge. Dies wird zunehmend ein Problem, heißt es etwa in einem Schreiben des Justizministeriums, „durch den Wegzug junger Menschen und der daraus resultierenden mangelnden ehrenamtlich familiären Betreuung.“

Doch all diese Trends sind nach Erkenntnissen der obersten Rechnungsprüfer trotzdem keine plausible Erklärung für die Kostenexplosion: Denn die Vergütungen an die Betreuer steigen merkwürdigerweise deutlich schneller an als die Zahl der betreuten alten Menschen. Letztere hat sich von 1995 bis 2004 etwa verdoppelt, auf 29 600 Fälle. Doch zwischen 1997 und 2004 verdreifachten sich die Vergütungen. Allein seit 2000 stiegen sie von 7 Millionen Euro auf nunmehr 24 Millionen Euro im Jahr 2006.

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