Brandenburg: Tierische Inventur
Spätherbst ist Hochsaison für Hasenzähler / Am wohlsten fühlt sich Meister Lampe im Raum Potsdam sowie im Havelland
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Spätherbst ist Hochsaison für Hasenzähler / Am wohlsten fühlt sich Meister Lampe im Raum Potsdam sowie im Havelland Von Bernd Kluge Eberswalde - „Die laufen ja wie die Hasen.“ An diese Redewendung muss Jäger Burghard Schmidt immer denken, wenn er im Frühjahr und im Herbst zu nächtlicher Stunde im Auftrag der Wissenschaft unterwegs ist. Mit einem Scheinwerfer leuchtet er in die Nacht und scheucht sozusagen alles auf, was Beine hat. So wie 537 andere Waidmänner in der Bundesrepublik zählt der Ostbrandenburger in seinem Revier bei Steinhöfel (Landkreis Oder-Spree) Feldhasen und anderes Getier. Bei dem seit 2001 laufenden Projekt des Deutschen Jagdschutzverbandes soll der rapide zurückgegangene Bestand der einstigen deutschen Hauptwildart ermittelt werden, um auf dieser Grundlage Schutzkonzepte und Nutzungsstrategien zu entwickeln. Und da man die Mümmelmänner nicht einfach zum Durchzählen antreten lassen kann, verfahren die Jäger alle nach einer einheitlichen Erfassungsmethode: In einem abgesteckten Revier wird eine 20 bis 25 Kilometer lange Fahrstrecke festgelegt, die für jede Zählaktion aufs Neue abgefahren wird. Ideal sind Felder, auf denen die neue Saat schon aus dem Boden wächst, denn leere Äcker sind für Meister Lampe nahrungstechnisch nicht interessant. Mit einem Saugfuß klemmt der Jäger einen Scheinwerfer an sein Auto, mit dem er mindestens 150 Meter weit ins Dunkle leuchten kann. Im Schritttempo geht es los, durch den Lichtschein blinken die Augen des „getroffenen“ Wildes auf – bei den nachtaktiven Hasen leuchten sie bernsteingelb. Auf einem speziellen Erfassungsbogen werden die entdeckten Exemplare dann aufgelistet - neben Füchsen, Dachsen, Krähen, Enten, Rehen und Mardern. „Ideal ist, wenn die Zähler mindestens zu zweit unterwegs sind“, sagt Grit Greiser von der Landesforstanstalt Eberswalde, die das Projekt in Ostdeutschland wissenschaftlich begleitet. Das kann Jäger Schmidt nur bestätigen. „Man muss höllisch aufpassen, dass Meister Lampe nicht doppelt gezählt wird“, sagt er und weist auf einen Hasen, der in rasantem Tempo gerade den Feldweg überquert. Der Bestand an Feldhasen ist in ganz Deutschland stark zurückgegangen, vor allem auch aufgrund einer starken Bejagung. „Anfang der 70er Jahre wurden allein auf Brandenburger Territorium 12 000 Hasen jährlich geschossen“, sagt Diplomforstwirtin Greiser. Hinzu kamen Ende der 70er mehrere harte Winter, die so manches junge Langohr nicht überlebte. Während sich der Bestand im Westen langsam wieder erholte, machten die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) im Osten dem Hasen das Leben schwer: Riesige, monostrukturierte Äcker, die mit viel Kunstdünger in Schuss gehalten wurden. „Alles andere als ideal für das Niederwild“, erklärt Greiser, „gerade Hasen brauchen die offene Landschaft mit kleinen Feldern und abwechslungsreichen Anbaukulturen.“ Doch auch nach der Wende tat sich nicht viel. Da der Anbau von Mais und Raps gefördert wird, haben sich die Landwirte auf diese Feldfrüchte spezialisiert. Füchse und Greifvögel, die sich rasant vermehrten, aber auch Eindringlinge wie Marderhund und Waschbär setzen Meister Lampe und vor allem seinem Nachwuchs zu. „Da stimmt das Verhältnis zwischen Raub- und Beutetier nicht mehr“, erläutert die Wissenschaftlerin. Kein Wunder also, dass von einem wirklichen Zuwachs der Hasenpopulation in Ostdeutschland keine Rede sein kann. Gezählt wird im Frühjahr, um zu sehen, wie viele Tiere den Winter überlebt haben. Bei der Inventur im Herbst werden auch die Jungtiere in die Statistik aufgenommen. Verstärkte Versiegelung von Flächen inklusive Straßenbau schränken den Lebensraum der Mümmelmänner weiter ein. 3400 getötete Hasen weist die Statistik für das Jagdjahr 2002/2003 aus. Doch nur 610 Tiere wurden auch wirklich von Jägern erschossen.
Bernd Kluge
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