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Brandenburg: Tod bei der Gefechtsübung

In Bayern stehen zwei Soldaten wegen tödlicher Schüsse auf Brandenburger Kameraden vor Gericht

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Bad Kissingen/Spremberg - Als Sven Mattiza bei einer Gefechtsübung ums Leben kam, hatte er gerade ein halbes Jahr seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr absolviert. Der 20-jährige Automechaniker aus Spremberg in der Lausitz hatte sich für zwei Jahre verpflichtet, weil er sich bei der Armee einen festen Job erhoffte.

Am Morgen des 19. Oktober 2005 trafen ihn auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg in Unterfranken zwei Kugeln, die ein Wehrdienstleistender auf ihn abgefeuert hatte. „Augenblicksversagen“ attestierte dem Schützen ein interner Untersuchungsbericht später. „Sven hätte nicht sterben müssen“, meinen dagegen die Eltern des getöteten Rekruten.

Ab heute müssen sich der 36-jährige Feldwebel Wolfgang B. und der 23 Jahre alte Schütze Robert H. vor dem Amtsgericht im bayerischen Bad Kissingen verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt H. fahrlässige Tötung zur Last. B., der am Tattag als Sicherheitsoffizier das Gruppengefechtsschießen des Jägerlehrbataillons 353 zu überwachen hatte, muss sich wegen Unterlassung verantworten. Er soll einen Sicherungsposten neben Mattiza abgezogen haben, um ein Foto von dem „taktisch ausgezeichnet“ positionierten jungen Spremberger zu machen. Nur deshalb habe der ebenfalls aus Brandenburg stammende Rekrut seinen Kameraden mit einer Schießscheibe verwechseln können und gefeuert.

Die Eltern des Getöteten haben einen langen Kampf hinter sich. „Die haben versucht, das unter den Teppich zu kehren“, sagte Mutter Silvia Mattiza der „Lausitzer Rundschau“. Mit „die“ meint sie die Bundeswehr und die Staatsanwaltschaft Schweinfurt, die nur zwei Monate nach dem Vorfall die Ermittlungen gegen den Sicherheitsoffizier mangels hinreichenden Tatverdachts einstellten. Mit einem Klageerzwingungsverfahren setzten sich die als Nebenkläger auftretenden Eltern schließlich jedoch durch. Das Oberlandesgericht Bamberg wies die Staatsanwaltschaft an, Anklage zu erheben.

„Es kann nicht sein, dass die Jungs dort so locker mit der Waffe umgehen“, sagt Martin Bleidießel, der Anwalt der Eltern. Er erhofft sich durch den Prozess grundlegende Veränderungen in der Schießausbildung bei der Bundeswehr. Denn was tauge ein Sicherheitsoffizier, wenn er mitten in einer Übung mit scharfer Munition sämtliche Vorschriften außer Acht lasse, nur um ein belangloses Foto zu machen? An jenem verhängnisvollen Tag sollten die Rekruten in zwei Gruppen im Gelände vorrücken und vor ihnen hochklappende Pappfiguren unter „schnelles Einzelfeuer“ nehmen. Als Sven Mattiza von Kugeln ins Herz und ins Bein getroffen wurde, kniete er mit seinem G 36-Gewehr im Anschlag. Genauso sahen auch die Schützenscheiben aus. Eine solche Verwechslung sollte eigentlich ein mit roter Armbinde und roter Flagge auf dem Helm gekennzeichneter Soldat verhindern. Doch als Robert H. durch sein Schnellvisier blickte, fehlte dieser. Nach Auffassung des Anwalts hätte H. aber auch ohne den Sicherungsposten neben Mattiza nicht schießen dürfen: „30 Grad links und rechts vom Ziel darf sich niemand aufhalten. Und der abgezogene Soldat mit roter Markierung stand nur acht Grad entfernt.“ Kurz nach dem Vorfall war sogar über eine Vorsatztat spekuliert worden. Doch in einem Video hat die Kriminalpolizei den Ablauf der Übung bis zu den tödlichen Schüssen nun minutiös dokumentiert. In einem Kondolenzschreiben hat ein Hauptmann den Eltern das Bedauern der Kompanie zum Ausdruck gebracht. Auf dem Gelände der Infanterieschule Hammelburg wurde ein Gedenkstein errichtet. Doch die beiden Beschuldigten haben sich nie bei den Eltern gemeldet. Silvia Mattiza ist verbittert: „Bei Auslandseinätzen denkt man an so etwas, aber doch nicht hier bei einer Übung in Deutschland.“ Jörg Völkerling

Jörg Völkerling

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