
© Kitty Kleist-Heinrich
Brandenburg: Tödliche Fasern
Die Zeitbombe Asbest tickt: Sieben Arbeiter aus Brandenburg starben 2010 an Asbestose. Der Gipfel ist noch nicht erreicht
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Potsdam - Ein Atemzug kann das Leben verändern. 18 Jahre nach dem Verbot von Asbest in Deutschland haben in Brandenburg noch immer Menschen mit den Folgen der Verwendung der einstigen „Wunderfaser“ zu kämpfen. Häufig trifft es Bauarbeiter. Bei Abbruch- oder Sanierungsarbeiten haben sie vor Jahren die fast unsichtbaren Asbestfasern eingeatmet. Sie erkranken an Asbestose – und sterben. Im vergangenen Jahr traf es in Brandenburg sieben von ihnen, so die aktuellen Zahlen der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Zudem wurden bei 44 Brandenburgern Lungenerkrankungen, die im Zusammenhang mit Asbest stehen, neu diagnostiziert, zehn davon kamen aus dem Baugewerbe. Das ist ein neuer Höchststand.
Asbest bleibt eine Gefahr, sagt Horst Kleine, Experte für Gefahrstoffe am Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Unfallversicherung. Die Versicherung trägt die Kosten für Behandlung, Früherkennung sowie Rentenzahlung an Erkrankte und Hinterbliebene. „Die Todesfälle gehen auf Belastungen zurück, die 30 Jahre zurückliegen“, sagt Kleine. Die Betroffenen sind meist älter als 40 Jahre. Der Gipfel der Neuerkrankungen sei noch nicht erreicht. Rund 1000 Tote zähle man jährlich in Deutschland – mehr als durch alle Arbeitsunfälle zusammen. Erst ab dem Jahr 2015 könnte die Zahl sinken.
In den 60er und 70er Jahren herrschte ein regelrechter Asbest-Boom. Kaum ein Neubau, bei dem die Wunderfaser nicht eingesetzt wurde. So ist auch heute noch in zahlreichen Bauten Asbest zu finden, von der Wellplatte auf der Gartenlaube bis hin zur Fassadenplatte an der Hochhauswand oder die Dichtung an der alten Heizungsanlage – und nicht nur dort.
Etwa 198 Tonnen herrenloser Asbestmüll findet sich jedes Jahr in Wäldern oder an Straßenrändern in Brandenburg, heißt es aus dem Landesumweltamt. Zwar sinken die Zahlen, aber das Problem bleibe. Asbest verwittert nicht, die Gesundheitsgefahr bleibt bestehen. Zudem vermische sich das Asbest mit anderen Abfällen. Dieser Abfall darf Sortieranlagen nicht zugeführt werden, wodurch sich die Menge vervielfacht. Die Entsorgung sei mit erheblichen Aufwand und Kosten verbunden. Illegale Müllentsorgung werde nach Umweltrecht verfolgt und geahndet. Die Täter zu finden sei aber sehr schwierig.
Nach Angaben des Umweltamts geht von den asbesthaltigen Abfällen in der Regel keine unmittelbare Gefahr für eine Grundwasser- oder Bodenverunreinigung aus. Gefährlich wird es erst, wenn Platten brechen und Fasern umherwirbeln, dann zum Beispiel auch für spielende Kinder. Kleine Mengen Asbest nimmt jeder örtliche Abfallentsorger entgegen, meist in den Wertstoffhöfen. Dort wird der Asbestmüll in verschlossenen Behältern gesammelt und später auf zugelassenen Deponien eingelagert, zum Beispiel in Ketzin, Schöneiche oder Lübben.
Was danach mit dem Asbest geschehen soll, ist noch unklar. Versuche, die Fasern unschädlich zu machen, gelten bislang als nicht optimal oder schlugen fehl.
Die Regeln für die Arbeit mit den tödlichen Fasern – darauf verweist das brandenburgische Arbeitsministerium ausdrücklich – sind streng. Alle Arbeiten müssen beim Landesamt für Arbeitsschutz angemeldet und von Spezialisten beaufsichtigt werden. Bauunternehmen und Privatleute müssen sich an die Vorschriften des Gefahrstoffrechts richten.
„Firmenchefs sind für ihre Angestellten verantwortlich“, sagt Arbeitsschutzexperte Kleine. Die Unfallversicherung und die Berufsgenossenschaft stellt Infomaterial bereit und bildet Angestellte im richtigen Umgang mit Asbest aus. Ein Baustellencheck auf Asbest kann Leben retten, sagt Kleine. Wie sorgsam mit Asbest umgegangen werden soll, habe der Abbruch des Palast der Republik gezeigt. Die Baustelle musste luftdicht abgeschlossen werden, Arbeiter Atemschutz tragen. Kleidung und Baumaterialien mussten durch eine Reinigungsschleuse.
Anders als Bauunternehmern brauchen Hobbyhandwerker aber keine Sachkundenachweise zu besitzen, um zum Beispiel die Wellasbestplatte vom Laubendach zu schrauben. Nicht bei jedem Asbestfund müsse man ein Spezialteam rufen, sagt Kleine. Vorsicht im Umgang mit den tödlichen Fasern sei aber geboten. Wer zum Beispiel Wellasbestplatten demontieren will, sollte diese vorher mit einer Mischung aus Wasser und Spülmittel benässen, um die Fasern zu binden. „Asbest ist ungefährlich, solange die Fasern nicht in der Luft umherwirbeln“
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