zum Hauptinhalt

Brandenburg: Tonnenweise Giftmüll verklappt Niedergörsdorf: Prozess um illegale Deponie

Potsdam/Niedergörsdorf - Der nächste große Fall illegaler Müllentsorgung beschäftigt seit Mittwoch das Landgericht Potsdam. Angeklagt sind zwei Männer, die laut Staatsanwaltschaft in einer Kiesgrube bei Niedergörsdorf (Teltow-Fläming) rund 330 000 Tonnen Abfall verklappt haben.

Potsdam/Niedergörsdorf - Der nächste große Fall illegaler Müllentsorgung beschäftigt seit Mittwoch das Landgericht Potsdam. Angeklagt sind zwei Männer, die laut Staatsanwaltschaft in einer Kiesgrube bei Niedergörsdorf (Teltow-Fläming) rund 330 000 Tonnen Abfall verklappt haben. Den mit Schadstoffen belasteten Dreck wieder herauszuholen und fachgerecht zu entsorgen, würde mehr als 40 Millionen Euro kosten.

Die Menge ist gewaltig. So viel Abfall hat nicht einmal der Müllbaron Bernd R. illegal entsorgt. Jedenfalls nicht nachweislich. R. musste für seine Taten ins Gefängnis. Auch bei Björn S., dem Hauptbeschuldigten in dem aktuellen Verfahren, sah es zunächst so aus, als müsse er mit der ganzen Härte der Justiz rechnen.

Die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft gegen ihn erhebt, wiegen schwer, schwerer als bei den meisten Müll-Skandalen im Land. So soll Björn S. zwischen Dezember 2005 und September 2007 im ganz großen Stil Haushaltsmüll, Gewerbemüll, Klärschlämme mit giften und krebserregenden organischen Chlorverbindungen, sogenannte PCB, Quecksilber und anderen Giften belastete Bau- und Abbruchabfälle in die Grube gekippt haben. Erlaubt waren lediglich mineralische Abfälle wie Schutt, aber nicht dieser giftige Dreck. Die Einnahmen, die der heute 40-Jährige mit der illegalen Deponie erzielt haben soll, schätzt die Staatsanwaltschaft auf mehr als sechs Millionen Euro. Er habe dazu ein Firmengeflecht aufgebaut und beherrscht. Fast 400 000 Euro soll er allein aus einer Firma für sich abgezweigt haben. Die Anklage sprach gestern von einer „Gewinnmaximierung in außergewöhnlichem, sittlich besonders anstößigem Maß“.

Doch es sind nicht nur die zwielichtigen Müllgeschäfte, die die Staatsanwaltschaft Björn S. und seinem Mitarbeiter, der neben ihm auf der Anklagebank sitzt, vorwirft. Einem Gutachten zufolge, auf das die Anklage aufbaut, verschmutzen die Schadstoffe aus dem Müll das Grundwasser. Die Müllsünde wird so zur schweren Umweltstraftat. Mutmaßlich.

Eine aktuelle Untersuchung der für die Überwachung der Kiesgrube zuständigen Behörde, des Landesamtes für Bergbau, soll laut Verteidigung zu einem anderen Ergebnis kommen. Demnach sei das Grundwasser nicht mit Schadstoffen verunreinigt. Auch die große Menge an Müll, die Björn S. verscharrt haben soll, streitet die Verteidigung ab.

Nun muss die nächste Expertise folgen. Der Vorsitzender Richter kündigte an, das Gutachten der Staatsanwaltschaft von einem dritten Sachverständigen prüfen zu lassen. Der Gutachter, der es einst verfasste, kann sich nicht mehr äußern. Er ist vor ein paar Jahren verstorben. Die Ergebnisse der neuen Untersuchung wollte die Anklage aber gar nicht abwarten. Sie überraschte gestern Richter und Verteidigung damit, dass sie für eine Verständigung offen sei. Noch im Oktober hatte sie bei einem Erörterungstermin jeglichen Deal, der zu einer milderen Strafe führen könnte, abgelehnt. Als Grund für den Sinneswandel nannte die Staatsanwältin aber nicht Zweifel am eigenen Gutachten, sondern die lange Verfahrensdauer.

Voraussetzung für eine Verständigung ist, dass Björn S. ein rückhaltloses Geständnis ablegt, wie der Richter betonte. „Sie sollen uns sagen, was tatsächlich abgelaufen ist“, sprach er den Hauptangeklagten direkt an. Die Verteidigung hat nun bis zum nächsten Verhandlungstermin in der nächsten Woche Zeit, sich zu überlegen, ob sie sich darauf einlässt.

Michael Billig

Michael Billig

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false