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KRAMPNITZ- UND IMMOBILIENAFFÄRE: Totale Blockade

Fünf Untersuchungsausschüsse gab es seit 1999 im brandenburgischen Landtag. In keinem haben Regierungsfraktionen so gemauert wie SPD und Linke jetzt im Krampnitz-Ausschuss. Diesen wollen SPD und Linke rechtzeitig vor der Landtagswahl im Herbst beenden. Eine Bilanz

Die Krampnitz-Aktesoll also geschlossen werden, möglichst schnell. Der Untersuchungsausschuss des Landtages, der seit 2010 den dubiosen Verkauf des 112 Hektar großen Kasernengeländes im Norden Potsdams und weitere zweifelhafte Immobilienverkäufe des Landes untersuchte, könnte bereits am heutigen Dienstag seine Arbeit beenden. Vielleicht. So wollen es zumindest die Regierungsfraktionen von SPD und Linken. So hat es Mike Bischoff, Obmann und parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, angekündigt. In nicht öffentlicher Sitzung soll nach diesem Fahrplan und damit rechtzeitig vor der Landtagswahl am 14. September vom Untersuchungsausschuss 5/1 der Abschlussbericht beschlossen werden. Vorgelegt hatte den 419-Seiten-Entwurf kurz nach Neujahr der Vorsitzende Sören Kosanke (SPD), ohne Vorwarnung oder Abstimmung etwa mit der Opposition aus CDU, Grünen und FDP.

Ungewöhnlich ist der Vorgang, nicht nur wegen der Eile oder des Vertraulichkeitsstempels „VS – Nur für den Dienstgebrauch“, den das dieser Zeitung vorliegende Dokument seltsamerweise trägt. Kein Untersuchungsausschuss im Land hat mit Regierungsmehrheit eine solche Rundum-Entlastung durchzudrücken versucht wie in diesem Fall. Der Kosanke-Entwurf kommt zum Ergebnis, dass beim Verkauf der Krampnitz-Kaserne und weiterer Landesimmobilien durch den Makler des Landes, also der 2006 privatisierten Brandenburgischen Bodengesellschaft (BBG) mit dem Chef Frank Marczinek, einem Kumpel des früheren Finanzministers Rainer Speer (SPD), angeblich alles richtig gelaufen ist. Man habe, Zitat, „bei keiner der untersuchten Veräußerungen einen Verstoß gegen die Regeln feststellen“ können. Eingeschlossen werden die Verkäufe des früheren Flugplatzes in Oranienburg und eines Landesgrundstücks in Bad Saarow, obwohl in beiden Fällen die Staatsanwaltschaft weiter ermittelt und sich dem Vernehmen nach der Untreue-Verdacht dort erhärtet hat. Die BBG hatte die beiden Landesgrundstücke an eine BBG-Tochter und später mit Gewinnen weiterverkauft.

Zur Krampnitzer Kaserne, mit der die Affäre begonnen hatte, heißt es: „Der Untersuchungsausschuss kommt zu dem Ergebnis, dass ein Unterwertverkauf nicht erfolgt ist.“ Verwiesen wird darauf, dass auch die Staatsanwaltschaft Potsdam das Ermittlungsverfahren „mangels einer Straftat“ eingestellt hat. Es geht, zur Erinnerung, bei der Krampnitzer Kaserne, einst für die Wehrmacht errichtet und bis 1994 von der Westgruppe der Russischen Streitkräfte genutzt, um die einzige verbleibende große Wohnungsbaufläche im prosperierenden Potsdam. Einer Fläche, die Finanzministerium und Stadt Potsdam inzwischen zurückholen konnten. Für eine Stadt, die wie keine in Deutschland seit über einem Jahrzehnt von einem rasanten Bevölkerungszuwachs profitiert, in der die Immobilienpreise insbesondere seit der Jahrtausendwende drastisch gestiegen sind. Ein Rathausvermerk aus dem Sommer 2007 bezeichnete bereits schon damals die Fläche „Potsdam-Nord“ als „Hauptstandort“, um das weiteres Bevölkerungswachstum aufzufangen. In dieser Zeit, im Juli 2007, war das 112 Hektar Areal für rund 4 Millionen Euro an den schillernden Hannoveraner Anwalt Ingolf Böx verkauft worden, während der Landtag und der später über eine Unterhaltsaffäre gestürzte Finanzminister Rainer Speer (SPD) davon ausgingen, dass der dänische Immobilientycoon Thylander Käufer war.

Doch der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatte sich, als das 2010 aufflog, sofort hinter Speer gestellt. Er legte sich fest, dass dem Land kein Schaden entstanden sei. Und diese Aussage wiederholte seitdem im Ausschuss SPD-Obmann Mike Bischoff in jeder Sitzung. Kein Wunder, dass das für die Staatsanwaltschaft erstellte Wertgutachten einer Berliner Sachverständigen im Kosanke-Bericht nicht auftaucht, nachdem die Immobilie 2007 bereits knapp zehn Millionen Euro wert war. Und dass andere Passagen im Bericht im Kontrast zum formulierten Krampnitz-Fazit stehen. So wird erklärt, dass Gutachterwerte gerade bei früheren Militärliegenschaften erheblich schwanken, Zitat: „Aus diesem Grund konnte letztlich nicht festgestellt werden, ob ein Grundstück zu billig und damit ggf. zum Schaden des Landes oder gar zu teuer verkauft wurde“, heißt es. „Durch den Ausschuss konnte lediglich geprüft werden, ob die Regeln eingehalten wurden.“ Kritisiert wird im Entwurf lediglich, dass der Umfang der Kontrolle von Liegenschaftsverkäufen „nicht umfassend genug“ erfolgt sei. Und dass die Privatisierung der BBG, die dann als Privatfirma weiter im Regierungsauftrag gegen Millionenhonorar für den Verkauf von Landesgrundstücken zuständig war, ein Fehler gewesen sei. Das war’s?

Die Opposition aus CDU und Grünen will sich nicht damit abfinden, dass der Untersuchungsausschuss so beendet würde. Auch sie haben die Landtagswahl im Visier. Sie sehen noch Aufklärungsbedarf, wollen weitere Zeugen vernehmen, haben dafür nach dem vom Landtag beschlossenen Untersuchungsauftrag gute Karten. CDU-Obmann Dierk Homeyer verwies darauf, dass der Verkauf eines Villengrundstücks am Babelsberger Schlosspark – 15 000 Quadratmeter für 290 000 Euro – noch nicht behandelt wurde. Und darauf, dass jüngst die rot-rote Mehrheit einen Beweisantrag abschmetterte, den Stadtplanungschef von Oranienburg zu vernehmen. Darin sehen CDU und Grüne einen Verstoß gegen das Untersuchungsausschussgesetz. Beide haben in den letzten Tagen insgeheim das Landesverfassungsgericht angerufen und eine einstweilige Anordnung beantragt. Das höchste Gericht Brandenburgs bat am Montag den Ausschuss um Stellungnahme bis 17. Januar, womit der Versuch, die Krampnitz-Akte heute vorzeitig zu schließen, wohl zunächst gestoppt wurde. Es sei denn, man brüskiert das Verfassungsgericht.

nbsp;Thorsten Metzner

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