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Brandenburg: Trauer um Mohamed

Lange hatte die Polizei in Berlin-Moabit nach dem kleinen Jungen gesucht. Nun wurde er tot in Brandenburg gefunden. In das Mitgefühl mischt sich Wut

Stand:

Berlin/Jüterbog - Die Fahndungsplakate hängen in Berlin-Moabit an jeder Ecke. Auf dem Gelände des Lageso wie in den umgebenden Straßen blicken die großen braunen Augen des seit Wochen vermissten Flüchtlingsjungen Mohamed die Passanten an, vor dem Landesamt liegt ein Kondolenzbuch für den Vierjährigen aus. Dort tragen sich am Donnerstag viele Menschen ein – kurz zuvor war bekannt geworden, dass der Fall wie befürchtet ein tragisches Ende nahm. Am Donnerstagmorgen fand die Polizei eine Kinderleiche in einem Auto in Kaltenborn, einem Ortsteil der Gemeinde Niedergörsdorf im Landkreis Teltow-Fläming. In Brandenburg konnte die Polizei auch den mutmaßlichen Täter festnehmen. Er wurde zur Vernehmung nach Berlin gebracht. „Seine Mutter hat ihn wohl zur Rede gestellt, nachdem sie ihn auf den deutlich besseren aktuellen Fahndungsfotos der Polizei erkannt hatte“, sagte der Leiter der Soko Mohamed, Winfrid Wenzel, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin: „Nachdem er sich ihr offenbarte, hatte sie die Polizei informiert.“

Beamte aus Berlin und Brandenburg seien daraufhin nach Niedergörsdorf bei Jüterbog gefahren. Während sie die Mutter befragten, fuhr der Sohn mit seinem Auto, einem weißen Kleinwagen vor, in dem das tote Kind lag – in einer Art Wanne, bedeckt mit Katzenstreu. „Der Mann hat sich der Festnahme nicht widersetzt und die Tötung des Jungen gestanden“, sagte der Soko-Chef. Das Motiv sei noch unklar, zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Ermittlungen gebe es keine Hinweise auf einen pädophilen oder fremdenfeindlichen Hintergrund. Man gehe von einem Einzeltäter aus. Das abschließende Ergebnis der Obduktion stand zum Redaktionsschluss noch aus.

Auf Nachfrage dieser Zeitung, ob die Ermittler einen Zusammenhang zu dem Anfang Juli dieses Jahres in Potsdam verschwundenen Elias prüfen, hieß es, man habe das „von Anfang an mitgedacht und arbeite entsprechend mit den Kollegen in Brandenburg zusammen“. Dort prüfe man auch, ob der Tatverdächtige, der noch bei seiner Mutter wohnt, möglicherweise ein weiteres Gebäude etwa für handwerkliche Arbeiten genutzt habe. Der 32-Jährige hatte seine Festnahme laut Polizei „ruhig und gelassen“ hingenommen. Er sei kooperativ und bislang nur einmal vor längerer Zeit polizeilich in Erscheinung getreten – allerdings nicht mit einer auch nur annähernd vergleichbaren Straftat. Hinweise, dass er psychisch krank ist, gebe es nicht.

Wann er Mohamed tötete, ist noch unklar. Die Ermittler gehen aber davon aus, dass es „wohl nicht erst heute oder gestern gewesen ist“, wie es in der Pressekonferenz hieß. Näheres müsse die Obduktion erbringen, deren Ergebnisse bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vorlagen. Die Mutter von Mohamed war noch vor der ersten Pressemitteilung von der Polizei informiert worden. „Sie wurde mit ihren anderen zwei Kindern im Rahmen des Opferschutzes an einen anderen Lebensort gebracht, wo sie auch psychologisch betreut werden kann“, sagte ein Ermittler. Gegen sie und ihren Lebensgefährten habe nie ein Verdacht bestanden. Die Frau sei vor mehr als einem Jahr aus Bosnien nach Berlin gekommen, habe hier ihr drittes Kind zur Welt gebracht. An jenem 1. Oktober wollte sie sich am Lageso Unterhaltszahlungen abholen und habe dabei den vierjährigen Mohamed aus den Augen verloren. Man habe zunächst natürlich auch geprüft, ob das Kind vielleicht von Verwandten oder Bekannten mitgenommen wurde, was nicht unüblich sei.

Rund um das Berliner Lageso hat sich die Nachricht über den Tod und die Festnahme schnell herumgesprochen. „Alle reden darüber, Flüchtlinge, Helfer, alle“, sagt ein Sicherheitsmitarbeiter . Das Netzwerk „Berlin hilft“ ruft zu einer Schweigeminute am Abend auf. In die Trauer um den Tod des kleinen Jungen mischt sich eine unbändige Wut auf den mutmaßlichen Täter. „Für solche Typen sollte man die Todesstrafe einführen“, fordert ein Flüchtling aus dem Jemen. Andere bedenken den mutmaßlichen Täter mit üblen Beschimpfungen. Ein Mann, der mit seinen fünf Kindern aus Syrien geflüchtet ist, meint: „Ich lasse meine Söhne und Tochter nicht mehr aus den Augen, hier laufen viele zwielichtige Gestalten herum.“

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