Brandenburg: Trotz Chaos steigen die Fahrpreise im Nahverkehr
Erhöhung kommt wie geplant zum 1. Januar / Senat und Verkehrsbetriebe lehnen Aufschub ab
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Berlin - Ob S-Bahn oder Bus pünktlich kommen, ist derzeit ungewiss. Auch wann die Zeit der ausfallenden Fahrten oder überfüllten Fahrzeuge vorbei sein wird, lässt sich nicht vorhersagen. Fest steht dagegen, dass die meisten Fahrpreise pünktlich zum 1. Januar steigen werden – um durchschnittlich 2,8 Prozent. Die im Sommer beschlossene Preiserhöhung lasse sich nicht mehr verschieben, heißt es übereinstimmend.
Obwohl die S-Bahn mit dem Wintereinbruch der vergangenen Tage wieder tiefer in die Krise geschlittert ist und auch die BVG ihre Probleme vor allem bei den Bussen weiter nicht gelöst hat, ist es nach Ansicht der Stadtentwicklungsverwaltung „vermittelbar“, dass jetzt die Preise steigen müssen, sagte der Sprecher der Verwaltung, Mathias Gille. Die Unternehmen müssten höhere Kosten fürs Personal und die Energie ausgleichen können. Zudem seien steigende Einnahmen erforderlich, um möglichst schnell wieder die übliche Qualität im Nahverkehr anbieten zu können. Außerdem seien die Preise zuletzt lange stabil geblieben.
Auch Elke Krokowski vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) verweist darauf, dass die letzte Erhöhung 33 Monate zurückliege. Am 1. April 2008 waren die Preise letztmals erhöht worden – rechnerisch um durchschnittlich 1,97 Prozent. Der Preis für den Einzelfahrschein im Stadtgebiet ist sogar seit April 2005 unverändert geblieben. Zuvor war 2004 allerdings das Recht, mit dem Einzelfahrschein auch eine Rückfahrt zu machen, abgeschafft worden.
Zudem sei den anderen Unternehmen im Verbundgebiet nicht zuzumuten, auf für sie erforderliche Fahrpreiserhöhungen zu verzichten, sagte Krokowski weiter. 39 Unternehmen seien darauf angewiesen. Es würde auch nichts bringen, nur in Berlin und dem unmittelbaren Umland auf höhere Preise zu verzichten, ergänzte sie. 24 Unternehmen aus Brandenburg ließen ihre Fahrzeuge auch im Tarifgebiet ABC (Berlin und Umland) fahren; 13 erreichten das Stadtgebiet direkt (Tarifzone AB). Würde man diese Bereiche von der Preiserhöhung ausnehmen, müssten auch diese kleineren Unternehmen auf höhere Preise verzichten, was kaum umzusetzen wäre, sagte Krokowski.
Gille verwies zudem darauf, dass man darauf geachtet habe, die Erhöhung für Stammkunden möglichst gering ausfallen zu lassen. So steigt der Preis für die Monatskarte AB nur zwei Euro auf 74 Euro. Allerdings haben die Unternehmen in den vergangenen Jahren ihre Stammkunden auch besonders geschröpft. Inzwischen müssten Berliner für den Kauf von zwölf Monatstickets 3,2 Prozent ihres durchschnittlichen Bruttojahreseinkommens in Höhe von 27 232 Euro aufbringen, hatte vor kurzem das Reiseportal „Ab-in-den-Urlaub“ ermittelt. Damit sei Berlin weltweit eine der teuersten Städte beim Kauf von Monatsmarken.
Auch nach Ansicht von BVG-Sprecher Klaus Wazlak kann die Preiserhöhung jetzt nicht mehr gestoppt werden. Die Vorbereitungen, etwa das Umstellen der Automaten, die mindestens drei Monate erforderten, seien fast abgeschlossen; um alles rückgängig zu machen, sei die Zeit bis zum 1. Januar zu knapp. Entscheiden müsste dies ohnehin der VBB-Aufsichtsrat. Und der tagt nach Krokowskis Angaben in diesem Jahr gar nicht mehr.
2010 hatte man auf eine Preiserhöhung, die vor allem der damalige BVG-Chef Andreas Sturmowski mehrfach gefordert hatte, verzichtet, weil auch der Senat der Meinung war, höhere Preise könne man den Fahrgästen angesichts der Dauerkrise bei der S-Bahn nicht zumuten.
Und 2009 hatte die Landesregierung von Brandenburg durchgesetzt, dass die sonst im Jahresrhythmus übliche Tarifrunde ausfiel; im September fanden Landtagswahlen statt. Zuvor hatte bereits einmal Berlin eine Nullrunde bei den Nahverkehrstarifen initiiert; 2006, zufällig auch in einem Jahr, in dem das Abgeordnetenhaus neu gewählt worden war.
Die Kunden müssen die höheren Preise jetzt also auch bei dem schlechten Angebot schlucken; doch sollen sie nach dem erneuten Absturz bei der S-Bahn nochmals entschädigt werden – wie jetzt bereits mit Freifahrten im November und Dezember und dem Angebot, bis Ende Dezember an Wochenenden Einzelfahrscheine als Tageskarten zu nutzen. Finanziert wird dies von der S-Bahn mit rund 70 Millionen Euro.
Während Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) nur den Wunsch nach weiteren Entschädigungen äußert, hat ihr Brandenburger Kollege Jörg Vogelsänger (SPD) konkrete Vorstellungen: Denkbar ist für ihn, Gratisfahrten für einen Tag möglichst noch vor Weihnachten anzubieten und Zeitkartenbesitzer einen weiteren Monat gratis fahren zu lassen. Die S-Bahn denkt nach.
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